Mt. Desolation :: Mt. Desolation
Tim Rice-Oxley schreibt nebenbei wunderbaren Country-Folk.
Zunächst wundert man sich über den Bandnamen: Da gründet Keane-Kopf Tim Rice-Oxley mit seinem Live-Gitarristen Jesse Quin zum Spaß eine Freizeitkapelle – und nennt sie Mt. Desolation (Berg der Verzweiflung)! Ist denn in dieser Karriere immer alles schwer und unüberwindlich? Es scheint fast so.
Doch die Musik auf „Mt. Desolation“ ist nicht niederschmetternd. Rice-Oxley und Quin haben zehn wunderbare Country-Folk-Songs geschrieben und sie mit ein paar Freunden aufgenommen – unter anderen sind Winston Marshall (Mumford & Sons), Tom Hobden (Noah And The Whale), Ronnie Vanucci (The Killers) sowie die famose Sängerin Jessica Stavely-Taylor (The Staves) dabei. Im Programm wechseln sich Uptempo-Country-Rocker und herzergreifende Balladen ab, Rice-Oxley und Quin teilen sich den Hauptgesang. Es ist kein reiner Country auf dieser Platte, eher eine britisch folkloristische Sicht auf das amerikanische Genre.
Natürlich prägt die Situation das Album. Rice-Oxley kann das Hauptwerk für eine Weile vergessen und sich aus einer anderen Perspektive sehen – das befreit vermutlich. Er brilliert als Sänger wie als Komponist zum Beispiel in dem herzergreifenden „Bridal Gown“ und dem Honky-Tonk-Country „Departure“. Woanders hin: Das ist das Thema des Albums.
Jesse Quin, der sich mit seinen Songs nicht zuletzt vor Bruce Springsteen verbeugt, sorgt mit dem erhebenden Midtempo-Rocker „Annie Ford“ für einen der Höhepunkte. Country-Soul und -Rock, 70s-Westcoast, auch ein bisschen Keane-Pop – die verschiedenen Stile werden zusammengehalten von zwei Akteuren, die wohl Spaß haben wollen mit dieser Platte, das Songwriting jedoch nie schleifen lassen und auch die eigene Identität nicht verleugnen. Alles mündet in das fantastische „Coming Home“, eine kleine Pianoballade, in der Rice-Oxley nur noch nach Hause will, weg von all dem Streben, hin zu etwas Kleinem, Vertrautem. Vom Pop zum Country, von East Sussex in den Himmel: We’re all coming home in the end. (V2/Cooperative) Jörn Schlüter