Kurt Wagner & Cortney Tidwell :: Kort – Invariable Heartache
Das eigenwillige Duo zollt Nashville Tribut – mit einer wunderbaren Mischung aus Ernst und Leichtigkeit.
Ein Tribut an die Musiktradition von Nashville? Aus Sicht europäischer Musikfreunde eine übel klingende Verheißung. Nashville, das ist der langjährig bewährte Feind alles Echten, Erdigen, Ehrlichen. Haben dort nicht Chet Atkins und Owen Bradley einen zumindest halbwegs authentischen Hillbilly-Sound von immer gleichen Studiocracks mit Säuselchören und saccharinsüßen Streichern zur fetten Klangqualle aufschwemmen lassen? Und war unsere Sympathie nicht bei den Outlaws Jennings und Nelson, die im Frust nach Austin abhauten? Und vor allem bei Cash, der dem ignoranten Country-Mekka nach seinem Grammy für „Unchained“ im „Billboard“-Magazin einen einfingrigen Salut entgegen schleuderte? Und nun sollen wir schlucken, dass ausgerechnet der verlässliche Lambchop-Anführer Kurt Wagner einen Kotau macht?
Entwarnung. Diese Sache ist sehr persönlich, das beugt Entgleisungen vor. Kurt, Jahrgang ’58, kommt ja aus Nashville, und auch Cortney Tidwell hat tiefe Wurzeln dort. Seit vielen Jahrzehnten gehört ihre Familie zur Szene, ihr Großvater Slim Williamson betrieb das Label Chart Records, ihr Vater Cliff war dort A&R und betreute eine junge Sängerin namens Connie Eaton, ihre Mutter. Die Idee zu einem Duett-Album entstand im Sommer 2008, als während einer gemeinsamen Show bei Don Williams‘ „I Believe In You“ die Funken auf und vor der Bühne nur so sprangen. Es sollte bei „Invariable Heartache“ um Coversongs gehen. Logisch, dass Kurt & Cort bei der Auswahl der Nummern fürs Projekt Kort ziemlich familiär wurden. Es gibt elf Songs von Opas Label plus den einzigen Hit von Mutter Connie.
Die beiden begegnen ihrem Material mit einer wunderbaren Mischung aus Ernsthaftigkeit, Sentiment und Leichtigkeit. Das Themenspektrum, also Liebesleid (viel) und -glück (wenig), Einsamkeit, Entsagung und Trauer, wird mit keiner Geste gebrochen. Wenn der Verlassene ihr beim Wiedersehen den Blick in die Seele verweigert („Eyes Look Away“), wird das Klischee in Kurts sonor-zurückhaltendem Vortrag verblüffend wahr. Auch wenn Pedal-Steel, Fiddle und das andere angezeigte Instrumentarium nach Kräften wimmern, barmen und greinen, kommt es nie zum gefürchteten Nashville-Zuckerschock. Weil das Übermaß vermieden wird. Weil es eine echte Herzenssache ist. Und weil es unter die Haut geht. Cortney singt das Lied ihrer manisch-depressiven Mutter, voller Wärme und Hingabe: „Who’s Gonna Love Me Now?“ Connie Eaton starb 1999 mit nur 49 Jahren. Und wir hören noch immer das blanke Entsetzen des erwachsenen kleinen Mädchens. (city slang) rüdiger knopf