Antony & The Johnsons :: Swanlights
Da bleibt einem der Zynismus im Hals stecken, so feierlich und so berührend ist das. Dagegen wirkt das Original wie halbherziger Hippie-Kitsch (was es ja im Grunde auch ist). Antony meint es ernst, wenn er von einer anderen Welt singt. „I thank the earth every day for making me transgender, because it makes me like an animal, beyond the providence of Christians and patriarchies“, schreibt er in dem Buch mit Zeichnungen und Collagen, dem „Swanlights“ beiliegt (man kann das Album auch ohne Buch erwerben). „I live on the outskirts of society, and I have become feral and intuitive.“ Wenn er sterbe, so hoffe er, werde er nie mehr zurückkehren in unsere Welt, er werde den Bäumen folgen, dem Wind und den Vögeln.
Der Tod, das Eingehen des Körpers in die Natur, wird zur Utopie. „Swanlights“ knüpft also thematisch direkt an die zur gleichen Zeit entstandene todessehnsüchtige Öko-Oper „The Crying Light“ von 2009 an. Auch die ersten sachten Piano-Akkorde und die fast zaghafte Stimme erinnern an dieses Album. „Everything is new“, singt Antony immer und immer wieder. Bis die Zeile – unterstützt von der dramatisch anschwellenden Musik – zum Mantra wird. Wenn das Stück nach viereinhalb Minuten abebbt, mündet es in den Folksong „The Great White Ocean“, und Antony berichtet vom weiten Ozean der Ewigkeit, in dem die durch den Tod getrennte Familie wieder zusammenfindet. „Swim with me my Mama when I die/ In the ocean of death I will cry.“ „Ghost“ nimmt das Drama des Beginns wieder auf, in „I’m In Love“ umspielen Streicher und Flöten ein waberndes Orgel-Motiv, Antony scattet und gospelt. „I’m in the ocean, in the sea/ The red choral caressing me.“
Die Songs sind auf „Swanlights“ klarer und eingängiger als auf dem brüchigen, impressionistischen „The Crying Light“. An den Arrangements von Antony, Violinist Maxim Moston, dem isländischen Komponisten Nico Muhly, dem Lounge-Lizards-Gitarristen Doug Wieselman und dem Sufjan- Stevens-Kollaborateur Rob Moose kann man sich regelrecht berauschen. Wenn sich etwa im Titelsong George-Harrison-Psychedelik und Laura-Nyro-Empfindsamkeit überlagern oder in „Thank You For Your Love“ die Gitarren klingeln, die Soul-Bläser einsetzen und der Song mit Antonys Emphase Fahrt aufnimmt. Erst vor einem Bach-Klaviermotiv, das ein Duett der besonders idiosynkratischen Art einleitet, kommt er zum Halten: Antony singt mit Björk – auf Isländisch! „Flétta“ heißt das Stück, was sich mit „Zopf“ oder „Flechten“ übersetzen lässt und beschreibt, wie die beiden Stimmen sich hier umgarnen. „Salt River Oxygen“ steigert sich von hübschem Kitsch zu romantischem Pathos. Am Ende dreht sich „Swanlights“ wieder an den Anfang. „Everything was new/ Every sock and shoe/ My face and your face/ Tenderly renewed.“ Der ewige Kreislauf. Und der Sänger folgt dem Wind, den Vögeln und den Bäumen. You may say he’s a dreamer. (Beggars/Indigo) Maik Brüggemeyer
The Duke & The King ***¿
Long Live The Duke & The King