Serj Tankian :: Imperfect Harmonies
Der ehrgeizige Spagat zwischen den Genres gelingt nur bedingt.
Man kommt nicht vorbei an System Of A Down. Der aberwitzige Metal der US-Amerikaner überwindet die engen Grenzen des Genres, ist irre und lustig und wegen der politischen Inhalte todernst zugleich. Serj Tankian ist zudem ein guter Übersetzer, der die atemlosen Riffs und paranoiden Tempiwechsel um ein theatralisches, Zappa-artiges Element erweitert.
Auf seinem zweiten Soloalbum will Tankian noch weiter raus aus dem Metal-Korsett und setzt die dröhnenden Gitarren nur sparsam ein. Stattdessen versucht „Imperfect Harmonies“ einen Spagat. Tankian vermischt orchestrale Arrangements, elektronisches Beiwerk und (seltener) Jazz. Bei „Disowned Inc.“ stampft erst ein ultratiefes Riff unter dramatischen Streichern, dann swingt es zu einer krummen Pianomelodie. Ein paar Loops bringen Breakbeat ins Spiel. „Boarders Are“ setzt noch mehr auf Elektronik und Sinfonie, Streicher und Klavier spielen konzertant. An anderer Stelle werden die Melodien sogar opernhaft. Dabei sind die Kompositionen unter den ehrgeizigen Arrangements manchmal eigentlich Popmusik. „Deserving?“ hat sogar so etwas wie einen Hitrefrain. Aus Tankian wird deshalb kein traditioneller Songwriter. Metal-Pathos und Melodramatik bleiben das Fundament dieser Musik, manche Melodie ist arg prätentiös. Man braucht also den Glauben der Gemeinde, um die Platte wirklich zu mögen.
Das soll die Errungenschaft aber nicht schmälern – Tankian ist ein Mann mit dem Mut zum Experiment und dem Willen zur inhaltlichen Relevanz. Im hinteren Teil des Albums bilden vier, fünf Songs eine Art Suite, es geht wieder um das Grauen des Genozids – da ist die Emphase glaubhaft, die Tragik adäquat umgesetzt. Der Kampf gegen das Vergessen, das ist die Erdung im Werk von Serj Tankian. (Warner) Jörn Schlüter