The National – High Violet
Jeder einsame Mann braucht einen Regen, in den er sich stellen kann. Und wenn er keinen findet, weil das Wetter gerade viel positiver drauf ist als er – dann macht er sich sein Gewitter eben selbst, mit Donner, Blitz und peitschender Gitarre. Das ist einer der Unterschiede zwischen Sängern wie Will Oldham oder Bill Callahan und Stadiongruppen wie Coldplay: Während bei den einen das Melancholische, oft Tragische aus der Poesie und dem lakonischen Duktus wächst, liefern die anderen die großdramatische Atmosphäre gleich mit. Der Dichter spottet vielleicht über so viel Eindeutigkeit, aber auf die Art wird man definitiv berühmter.
The National aus Ohio sind die nächsten in der Reihe, eine Indie-Band in gestärktem Schwarz, die musikalische Fusion aus Kunstlied, Boudoir-Romantik und Absturzballaden. Ihre letzten zwei Platten wurden von einer Menge sehr sympathischer Leute geliebt, die neue hat alle Chancen, sogar ein Chart-Erfolg zu werden. Mehr Plastizität, mehr Hall, Klimax und Wetterleuchten, weihnachtliche Posaunengruppen und Chöre wie aus Abschiedsszenen, schönere Melodien und Slogans. Sänger Matt Berninger ist ein entspannt zerbrochener Typ wie Tindersticks-Mann Stuart Staples, ein Mann, der mit Spinnen krabbelt, in eine Frau namens Sorrow verliebt ist und sich von Kaffee und Blumen ernährt, obwohl der Blitz ihm ein Loch in den Bauch gebrannt hat. Das Klischee des urbanen Kauzes, aber seine neuen Songs singt man bald mit (was früher schwerer fiel, weil da mehr geraunt wurde). „I won’t be no runaway/ ‚Cause I won’t run“ – das ist sogar lustig.
Umso erstaunlicher ist es deshalb, was passiert, wenn The National ihren Gefühlen freien Lauf lassen und die Wolken so richtig zum Regnen bringen: Das klingt dann eben auch nicht viel anders als bei U2 oder den Editors, kommt zu denselben Ergebnissen wie die eher populistischen Pathetiker. Gehört und gesehen werden sie auf die Art bestimmt. Vielleicht hat der arme Poet Berninger ja viel mehr Angst vor einem Leben als Geist, als er zugeben würde.