Johnny Cash

Unearthed

Universal 2003

Noch ein letzter Mix, dann sollte sie endlich fertig sein, die große Box, mit der sich Johnny Cash und Rick Rubin zum zehnten Jahrestag ihrer Zusammenarbeit beschenken wollten. „Du hast die CDs zum Hören noch dieses Wochenende“, versprach Rubin. Doch Cash sollte das Wochenende nicht mehr erleben.

Der Fundus, aus dem das Duo für „Unearthed“ schöpfen konnte, war gewaltig – schließlich nahmen sie allein für „American Recordings“ rund 90 Stücke auf, auch die folgenden Sessions waren locker für mehrere Alben gut. So ist es angesichts der Qualität der hier chronologisch versammelten Outtakes schade, dass die fünfte CD dieser Box für ein „Best Of“ mit bekanntem Material aus den ersten vier Alben verschenkt wurde.

Die ersten drei Platten sammeln ungehörte Solo-Performances und Duette sowie alternative Takes bereits veröffentlichter Stücke. Mit Billy Joe Shaver ist endlich einer der Cash-Lieblingsschreiber würdig vertreten („If I Give My Soul“, „Old Chunk Of Coal“), Cash selbst tischt halbvergessene Romantik auf („Flesh And Blood“), gibt mit Gusto auch mal den alten Macho, in „Two Timin‘ Woman“ und „Understand Your Man“, singt Dolly Parton („I’m A Drifter“), Jimmie Rodgers („T For Texas“) und Neil Young („Pocahontas“ und „Heart Of Gold“). Es gibt viel klassisches Fremdmaterial und Traditionals, von „Wichita Lineman“ (Jimmy Webb) über „Gentle On My Mind“ (im eher blassen Duett mit Glen Campbell) bis zur Fußballhymne „You’ll Never Walk Alone“, die mit Benmont Tench an der Orgel in einer Kirche aufgenommen wurde.

Schließlich, auf der vierten CD: wie alles begann!

Nämlich mit der 1991 verstorbenen Mutter Carrie und ihren Heavenly Highway Hymns. 15 dieser Kirchenlieder hat Johnny Cash zuhause mit dem befreundeten Tontechniker David Ferguson für die vierte „Unearthed“-CD „My Mother’s Hymn Book“ aufgenommen, von Carter-Family-Stoff („Where We’ll Never Grow Old“) über Gospelstandards von Albert Brumley („I’ll Fly Away“) bis „In The Sweet By And By“, das schon damals bei der Beerdigung seines früh gegangenen Bruders Jack gesungen wurde.

Dies sei sein Lieblingswerk, verkündete Cash bar jeder Koketterie – und wer wissen will, warum ihn diese Songs bis zum Grab nie verlassen haben, muss nur das exzellente Booklet studieren. Die ausführlichen Linernotes von Sylvie Simmons (die auch den Haupttext zu diesem Special geschrieben hat) beleuchten die Beziehung zwischen Rubin und Cash aus den unterschiedlichen Perspektiven.

Höhepunkt: die gesamte CD