Martha Wainwright – Sans Fusils, Ni Souliers, A Paris
Wie singt man mit einem Geist und zugleich auch ein bisschen gegen ihn? Zumal wenn es ein Geist ist, der einen seit der Kindheit verfolgt hat? Der zuvor schon überlebensgroß und unwirklich war und zuletzt dann auch noch Hollywood-kompatibel wurde? Kurz: Wie gewinnt man, wenn man eigentlich keine Chance hat gegen eine der größten aller tragischen Verliererinnen?
Martha Wainwright hat die Antworten, mit dieser erstaunlichen Hommage an Edith Piaf, ohne Netz und doppelten Boden live mitgeschnitten an drei Abenden im kleinen New Yorker Dixon Theatre. Wo Bläser und Streicher ein von Gitarrist/Multiinstrumentalist/Arrangeur Doug Wieselman behende geführtes Trio kongenial umspielten. Klugerweise spart sich die gebürtige Frankokanadierin die Lieder der französischen National-Ikone, die fast unsingbar geworden sind. Auch wenn die laut Wainwright „schnelle und schmutzige“ Version von „La vie en rose“, die sie mit Mama Kate McGarrigle (sonst Background-Stimme), aber ohne Mikro als Rausschmeißer gab, immerhin bei iTunes zu hören sein soll.
Hier auf diesem Album nicht, auch kein „Milord“, kein „Non, je ne regrette rien“, aber immerhin doch „La Foule“, das gleich zum Auftakt den Ton für das Restprogramm setzt. Wainwright versinkt nicht in Anbetung, sie umarmt den Song einfach und lacht ihm ins Gesicht, als wäre es noch einmal das erste Mal. Es ist diese interpretatorische Unschuld und Neugier, die auch viele andere Lieder aus dem Käfig der Chanson-Klischees zu verscheuchen vermag und dabei ihre ursprüngliche Kraft freilegt. Ob beschwörend („Le Chant D’Amour“), trotzig-entschlossen („Non La Vie N’est Pas Triste“), mit zartem Trauerflor („Adieu Mon Coeur“) oder sich temperamentvoll fast überschlagend („L’Accordeoniste“) die Piaf kann wohl vom Grabrollen absehen. Während Martha Wainwright sich schon eine weitere ähnliche Auseinandersetzung vorstellen kann. Mit Janis Joplin.