Soul Kitchen :: Hamburg, heiß und fettig / Start: 25.12.
Mit seinem sechsten Spielfilm war Akin zum Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig eingeladen worden, wo er den Spezialpreis der Jury gewann. Nur, weil die Komödie gewiss keine cineastische Offenbarung ist. Trotzdem, weil wenige Regisseure so impulsiv, lebendig, einfallsreich, frech und innig Kino atmen. Seine in knackigen 99 Minuten erzählte Geschichte am Rande des Nervenzusammenbruchs wirkt, als wäre er im Hamburger Industrieviertel Wilhelmsburg auf Pedro Almodovar und Ken Loach getroffen.
Dort betreibt der Grieche Zinos (Adam Bousdoukos) ein Restaurant namens Soul Kitchen. Er serviert allerdings weder traditionelle Küche noch Gourmet-Gerichte. Die Lagerhalle ist eher ein möblierter Imbiss, in dem er Schnitzel aus der Tiefkühltruhe für eine Klientel aus Subkultur und Unterschicht brutzelt. Seine blonde Freundin Nadine (Pheline Roggan) stammt dagegen aus dem feinen Harvestehude und ist Journalistin. Zum Geburtstag ihrer Großmutter (Monika Bleibtreu in ihrer letzten Rolle) erscheint er verspätet und nach Frittierfett stinkend in einem Edel-Lokal am Hafen. Als der dortige Spitzenkoch Shayn (Birol Ünel) einen blasierten Gast mit seinem Messer bedroht und gefeuert wird, stellt Zinos ihn an. Doch dessen extravagante Kreationen, obwohl aus einfachen Zutaten angerichtet, vertreiben die Stammkunden. Zudem kommt sein arbeitsscheuer älterer Bruder Illias (Moritz Bleibtreu) aus dem Knast, entpuppt sich sein früherer Schulfreund Thomas (Wotan Wilke Möhring) als widerlicher Immobilienhai und geht Nadine beruflich nach China. Von Liebeskummer, einem Bandscheibenvorfall und Schulden geplagt, wird Zinos‘ ohnehin hektischer Alltag zum Chaos.
Durchatmen. Denn von der ersten Sekunde an legt Akin ein quirliges Tempo vor. Ereignisse überschlagen sich, Charaktere purzeln durcheinander und finden schließlich im Soul Kitchen auf einer aphrodisischen Party zueinander, Schauplätze wechseln permanent. Akin fängt aber nicht nur Lokalkolorit ein. Von versifften Eckkneipen über trostlose Einkaufszentren bis zu hanseatischen Villen, Altonaer Altbauten und der Speicherstadt skizziert er ein pulsierendes Stimmungsbild. Dazu gehört ein alter Kapitän, der Sokrates heißt und im Soul Kitchen gratis futtert, sowie eine Rockband ohne Proberaum, die dort übt und Konzerte gibt.
Der Soundtrack aus Soul- und Funk-Klassikern fungiert dabei wie ein Kitt, der die Figuren und Emotionen auch vorantreibt, obwohl man manchmal die Übersicht zu verlieren glaubt. Akin hat das Drehbuch über Jahre weitergeschrieben und sich Billy Wilder als Vorbild auserkoren. Das gilt trotz des überschäumenden Witzes weniger für die urbanen Dialoge, denn Wilders präzise Pointen erreicht er nicht, sondern eher für die Energie, den Wechsel zwischen Komik und Melancholie, den Akin mit großem Vergnügen inszeniert. „Soul Kitchen“ ist wie Punk, kraftvoll hingerotzte Lebenslust, die in jedem Moment schreit: Mach dein Ding!