Joss Stone – Colour Me Free
Ja, ihre Stimme ist toll. Für eine gerade 22-jährige sowieso. Das Wunderkind aus Devon, so etwas wie eine Aretha Franklin light, kann es mit den Alten aus Memphis, Detroit und Miami aufnehmen, keine Frage. Dass Joss Stone sich auf ihrem vierten Album etwas mehr aktuellen R&B-Strömungen angepasst und mit Nas und Raphael Saadiq gearbeitet hat – kein Nachteil, wahrhaftig nicht. Ist sie halt diesmal ein bisschen mehr Whitney Houston, ein bisschen mehr Beyonce als Gladys Knight. Und an den musikalischen Fähigkeiten von Legenden wie Jeff Beck und David Sanborn – da kann man nicht dran rütteln. Aber nichtsdestotrotz: Das hier ist alles so verdammt perfekt, so glatt, so genormt, so sehr „Amerikanischer Traum“, dass es fast schon widerlich ist. Wo bleibt Joss Stones britishness? Etwas weniger Strebertum, etwas Schlampen-Nonchalance der Kolleginnen wie Cheryl Cole – das hätte gepasst.
„Colour Me Free“ ist Musik für Menschen, die sich nicht für Musik interessieren. Eignet sich bestens für die Endlos-Schlaufe bei „Starbucks“, fürs erste Candlelight-Dinner mit der jungen Innenarchitektin, die man bei ElitePartner.de kennengelernt hat. Der erste Kuss soll zu Track elf („Stalemate“) passieren, das ist so genau berechnet. Beim Patti-LaBelle-mäßigen „Girlfriend On Demand“ darf’s dann gerne etwas weiter gehen. In den USA ist Target Corporation (die zweitgrößte Handelskette dort nach Wal-Mart) der exklusive Vertriebspartner für dieses Album – in Deutschland würde sich IKEA anbieten. Die CD zur neuen Couch und den Wandbildern!
Das Aufregendste an der Platte ist noch das Cover – es ist so abgrundtief hässlich, dass es auch von einer Frankfurter Punkband mit Eigenvertrieb stammen könnte. Vier Sterne für das musikalische Handwerk, einen für den Erlebniswert.