Bon Jovi :: The Circle
Der Rock-Ratschlag des Jahres: Vorm Sterben unbedingt leben!
Zwei Bands, für die sich der Kreis schließen soll. Bon Jovi wollen endlich wieder Rock machen, Creed wollen einfach wieder irgendwas machen. Bei den älteren Männern geht es gleich mit der stampfenden Single „We Weren’t Born To Follow“ los, die nicht nur bei den Byrds den Titel klaut. Sie imitiert auch dreist die üblichen Bon Jovi-Stücke („It’s My Life“ et al) und wartet mit kruder Lyrik auf: Eine Zeile wie „This road was paved by the winds ofchange“ ist selbst für „I’m a cowboy/ On a steel horse I ride“-Verhältnisse heikel.
Auch sonst ist alles beim Alten, thematisch jedenfalls: Die Welt war schon mal besser („When We Were Beautiful“), man muss trotzdem weitermachen (bei „Work For The Working Man“ hört man im Hintergrund fast „Livin‘ On A Prayer“ aus der Jukebox), vielleicht kann man auch mal wieder Spaß haben. Bei „Superman Tonight“ gönnt sich Jon Bon Jovi immerhin etwas Ironie: „You’re looking for a hero/ But it’s just my old tattoo.“ Selbstzweifel stehen ihm immer gut.
Bei den meisten Stücken suchten Bon Jovi und Richie Sambora wieder Unterstützung bei den Schreibprofis Billy Flacon und Desmond Child, John Shanks hat die Resultate dann gewohnt glatt produziert, inklusive Whoa-whoa und Sha-la-la und so weiter. Ein bisschen mehr als zuletzt wird tatsächlich gerockt, aber dazwischen gibt es etliche „nachdenkliche“ Midtempo-Songs, die einen eher runterziehen. Der überzeugendste davon ist „Live Before You Die“, der Jon Bon Jovis Lebensthema schon im Titel trägt: Vorm Sterben unbedingt leben, das darf man nie vergessen (siehe auch: „I’ll Sleep When Im Dead“).
Sowas Ähnliches dachten sich wohl auch Creed, die nun einen zweiten Anlauf starten. Nach fünf Jahren, in denen sie vergeblich versuchten, getrennt erfolgreich zu sein, haben sie sich wieder versöhnt. Sänger Scott Stapp ist geläutert, Gitarrist Mark Tremonti hat ihm alkoholbedingte Ausfälle verziehen. In Nashville nahm man gemeinsam „Füll Cirele“ auf, die erste Single heißt „Overcome“. Gute Klischees sind ja manchmal besser als schlechte Idiosynkrasien, aber das ist dann doch des Guten zuviel. Stapp gurrt immer noch guttural und bedeutungsschwanger wie eh und je, dazu wird in allzu klassischer Hardrock-Manier gebratzt und getrommelt, was das Lederzeug hält. Nur richtig starke Songs gibt es leider nicht. Der Grund, warum man 1996 beim Debüt „My Own Prison“ noch über die Breitbeinigkeit und den katholischen Hochmut dieser Band hinwegsehen konnte, war ja, dass man manche Songs, kaum einmal im Radio gehört, nicht mehr aus dem Kopf bekam. Nun rauscht fast alles vorbei wie ein D-Zug, der ins Nirgendwo rast volles Tempo, aber kein Ziel.
Bei „A Thousand Faces“ blitzt noch mal die gute alte Dynamik auf, die Ballade „Away In Silence“ wäre in den 80er Jahren wohl ein Radio-Hit geworden, und am Ende wird’s fast rührend: „I hope the words I wrote/ Keep calling out“, röhrt Stapp. Sie rufen nach Erlösung.