Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte :: Start: 12.11.

Dies ist kein Film zur Wirtschaftskrise. Die Krise ist nur der Höhepunkt des Systems, das Michael Moore in seinen Filmen vom Niedergang der Autoindustrie („Roger & Me“) über die Waffenlobby („Bowling For Columbine“) bis zum Geschäft mit der Gesundheit („Sicko“) schon immer auf- und angegriffen hat. Insofern ist der Crash der Finanzmärkte ein Geschenk für den begnadeten Satiriker und Polemiker, um im großen Bogen weiter über die Auswüchse des Kapitalismus in seiner geliebten Heimat zu schimpfen.

Zum Auftakt montiert er Szenen aus Historienfilmen und vergleicht spöttisch den Untergang des alten Rom mit den Zuständen im heutigen Amerika der Banken: Brot und TV-Spiele für Sklaven und Volk, das von einer dekadenten, gierigen, skrupellosen Elite beherrscht wird. Dann drücken Katzen in typischen „You Tube“-Videos die Klospülung. Klare Botschaft: weg damit! Das ist mittlerweile nicht mehr sehr subversiv, sondern eher pauschal und populistisch. Vor allem ist dies aber ein kathartischer Spaß für jene, die ihre Ersparnisse oder Häuser verloren haben, um ihre Jobs zittern oder einfach wütend sind auf die da oben. Wieder einmal katalysiert Moore als Rächer der kleinen Leute gewitzt die Emotionen der Entrechteten und Enttäuschten.

Mit der Stimme eines Märchenonkels, der mahnend eine Schauergeschichte erzählt, führt er die Kollateralschäden des angelsächsischen Kapitalismus auf. Da beobachtet eine Familie in ihrem Eigenheim beklommen, wie Cops mit Bleiwesten zur Zwangsräumung anrücken. Und eine Frau kann nicht mal die Beerdigungskosten für ihren Mann aufbringen, während die Firma mit einer Lebensversicherung noch an seinem Tod verdient. Wie es soweit kommen konnte, zeichnet Moore in einer Mischung aus Fakten und Verschwörungstheorie von den Nachkriegsjahren über Ronald Reagan bis zu George W. Bush und seiner Lobbyisten-Clique nach. Kapitalismus sei Sünde, lässt er einen katholischen Priester herunterbeten, und Börsenexperten und Politiker verhaspeln sich bei Erklärungsversuchen. Schließlich fährt er mit einem leeren Geldtransporter bei den Zockerinstituten vor, fordert die Staatsknete für deren Opfer zurück und umwickelt die Wall Street mit einem gelben „Crime Scene“-Band.

So geht eine Liebesgeschichte zu Ende. Der Filmtitel ist von doppelter Ironie, denn natürlich ist Moore kein Marxist. Er gebärdet sich wie ein betrogener Ehemann. Wie seine Landsleute glaubt auch er an den amerikanischen Traum, der es ihm immerhin ermöglichte, selbst reich zu werden, indem er das System kritisiert. Obwohl er vergisst zu erwähnen, das mancher seine Privatpleite selbst verschuldet hat, ist seine Anklage gegen einseitige Profit-Exzesse im Kern richtig. Mehr menschliche Wärme und gerechtere Verteilung – den Linken wird das gefallen. Sehen sich all deren Wähler den Film an, wird er ein Hit. Auch das ist Kapitalismus.

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