The Jayhawks – Anthology
Allen Payola-Skandalen zum Trotz gilt: Hype half in England noch alleweil mehr als in Amerika. Dort findet man Bands wie Big Star, Jayhawks oder Uncle Tupelo (und natürlich Velvet Underground), deren Nachruhm in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu den von ihnen zunächst verkauften Platten steht. 1992 war das Jahr, in dem „Joshua Judges Ruth“ Lyle Lovett zum Star hätte machen müssen – und besagte Jayhawks auch, die mit „Hollywood Town Hall“ eigentlich zu Galionsfiguren der Alt/Country- und Americana-Fraktion avancierten. In beiden Fällen konnte man nicht nur über meisterliches Songschreiber-Handwerk staunen. Makellos war da auch die Produktion geraten. George Drakoulias arbeitete das ganze „After The Gold Rush „-Gefühl eines Songs wie „Oowded In The Wings“ noch extra fein raus. Bei Balladen wie ,.Two Angels“ (tiefe Verbeugung vor Gram Parsons) und „Sister Cry“ harmonierten Gary Louris und Mark Olson schlicht perfekt.
Die Songs, warnte schon mal vorsichtshalber Tony Glover damals in seinen Liner Notes zum zweiten Album „Tomorrow The Green Grass“, „touch on suicide, ghosts, child abuse, guitar love, faith, despair, flashing reds and hope – all sung with rare passion, sometimes like prayer“. Also nicht das übliche Country-Rock-Programm, sondern Songs von einer absolut eigenwilligen Handschrift, „Ann Jane“ weckt Erinnerungen an die größten Zeiten der Everlv Brothers, die Ode an Victoria Williams war einer der unwiderstehlichsten Ohrwürmer, herausragend einmal mehr die Balladen wie „Over My Shoulder“, überragend „Blue“ in einem Album, auf dem man nicht einen irgendwo mediokren Song findet. Als Mark Olson dann nicht mehr nur über „Miss Williams‘ Guitar“ singen mochte, sondern die Angebetete auch ehelichte und aus der Band ausstieg, um fortan schlichtere Folk Music zu spielen, machte Louris trotzdem weiter. Zwischen 1997 und 2003 veröffentlichten die Jayhawks in wechselnder Besetzung ganze drei weitere Longplayer, aus denen Louris für diese Retrospektive eine ganz persönliche und gestrenge Very-Best-Of-Auswahl traf: Gerade mal 18 Songs aus den fünf LPs für American, dazu in Lizenz zwei aus dem 1989 erschienenen „Blue Earth“, immerhin auch „Ain’t No End“. Im Grunde wie alle anderen nur appetizer, nach denen man dann doch wieder zu den Originalplatten greift, auf denen noch weit mehr große Songs zu hören sind.
Der Sinn der ganzen Veranstaltung war vielleicht auch nur der, dass Louris auf der zweiten CD 20 absolute Raritäten – „Falling Star“ vom Debüt von 1986, richtige tolle Alternativ-Takes wie das von „Old Woman From Red Clay“, „Lights“ vom Victoria-Williams-Tribute „Sweet Relief“, Single-B-Seiten und jede Menge gänzlich unveröffentlichtes Material wie den Rundfunk-Mitschnitt von Fred Neils „That’s The Bag I’m In“ und Demos späterer Jahre – präsentieren konnte. Kein Ausschuss, nur viele höchst angenehme Überraschungen hier wie auch das „Demo“ von „Rotterdam“, das in Wirklichkeit ein ganz famos produzierter, etwas beatlesque klingender Song ist. Die DVD als Zugabe mit Videos auch von „Blue“ ist nur das Sahnehäubchen auf der Torte.