The Beatles
We can work it out: Remaster Edition
Apple / EMI
Nach 40 Jahren liegen die Meisterwerke der Beatles in akzeptabler digitaler Form vor - doch nicht alles glänzt. Die Remaster-Versionen in der Mono- und in der Stereo-Box.
Irgendwer hätte Neil Aspinall schon 2003 diesen Promo-Sampler in die Hand drücken sollen, mit dem Columbia für die Remaster der wichtigsten Bob-Dylan-Platten auf Hybrid-SACD warb mit dem schönen Spruch: „You could never improve the music. But wait until you hear the sound.“ Vielleicht hätten ihn die unerhört gut klingenden Remixes von „Another Side Of Bob Dylan„, „Bringing It All Back Home“ und „Highway 61 Revisited“ davon überzeugt, dass man nach dem „Yellow Submarine Songtrack“ die kompletten Studioaufnahmen der Beatles genauso fabelhaft neu abgemischt vorlegen könnte. Es sollte nicht sein. Wer jetzt, unvoreingenommen und ohne ideologische Scheuklappen, nur mal die „Songtrack“-Version von „Hey Bulldog“ mit der nunmehr nachgereichten Remaster-Version vergleicht, wird zu dem betrüblichen Fazit kommen: Gegen diesen superben Remix, Lennon livehaftiger denn je klingend, hat letztere nicht den Hauch einer Chance.
Von keiner anderen namhaften Band sind technische Mängel auf ihren Bändern – Clicks, Pops, hörbare Schnittstellen, gelegentliche Verzerrungen – so minuziös und umfassend dokumentiert worden wie die auf den Aufnahmen der Fab Four. In mehreren Festmetern Beatles-Sekundärliteratur findet man, wie in langen Wunschlisten im Netz längst auch, detailliert aufgelistet, was man bei Neuabmischungen alles an Fehlern hätte ausmerzen können. In seinem profunden und gründlich recherchierten Beitrag zum Thema im „Record Collector“ beschwerte sich Nick Piercey schon im Oktober 1982 bitterlich etwa über Dropouts bei mehr als einer Aufnahme und erklärte ungnädig: „Whoever mixed ‚Please Please Me‘ for stereo with the out-of-time harmonica at the end should be shot!“
Asynchron erklingt die Harmonika auf der nun vorliegenden Remaster-Version des Debüts in dem „duophonen“ Mix noch immer. Da hätte man allenfalls bei Verwendung der noch vorliegenden Mehrspur-Bänder diesen unmusikalischen Tatbestand aus der Welt schaffen können. Die für die Remaster verantwortlichen Toningenieure im Team von Allen Rouse werden sich jetzt deswegen sicher nicht erschießen. An der Tatsache, dass Lennons Stimme halt nur bei der Stereo-Version von „If l Fell“ auch „double-tracked“ erklingt, nicht aber beim Mono-Mix, konnten sie schlicht nichts ändern. Das Geheimnis der verschwundenen Rhythmusgitarre beim Intro des Mono-Mix von „I Call Your Name“ lüftet ihr Remastering auch nicht. Gelegentlich ließen sich aber mit üblichen Bordmitteln professioneller digitaler Rechner ein paar der bekannten Fehler beheben. Den Dropout etwa bei „Day Tripper“ nach 1:50 – Aussetzer der Gesangsspur im rechten Kanal hat man wohl durch Interpolation korrigiert. Das Feedback beim Bass in den letzten Sekunden von „Julia“ konnte man dagegen nur mildern. Weil das Weiße Album unter den Stereo-CDs in puncto Remastering zu den entschieden gelungeneren Arbeiten des Teams zählt, ist die Aufblende der anderen Gesangsspuren nach dem ersten „Julia…“ bei dem Song allerdings auch um so auffälliger und deutlicher hörbar.
Solche tonmeisterlichen Patzer hatte George Martin heimlich en passant schon bei seinem Remix von „Rubber Soul“ für das CD-Remake von 1987 korrigiert. Die Aufblende nach dem Gitarren-Intro von „Norwegian Wood“ beispielsweise war da ab sofort nicht mehr zu hören. Überhaupt muss man nachträglich zur Ehrenrettung des alten Herrn doch mal feststellen, dass der für die Stereo-Edition wieder verwendete Remix schlicht besser klingt als das Remaster des ursprünglichen Mixes (der exklusiv in der Mono-Box wieder komplett zu hören ist). Extremes Ping-Pong-Stereo mit dem „Loch in der Mitte“-Effekt wurde gemildert, vorsichtige Entzerrung verpasste Songs wie „In My Life“ und „Girl“ eine weit natürlichere Grundton-Wärme. Am besten – sogar richtig exemplarisch – gelungen sind bei „Revolver“ wiederum „For No One“ und „Got To Get You Into My Life“: So viel frappierende Live-Präsenz der Stimmen verblüfft jetzt auch bei etlichen anderen Aufnahmen.
Dass und wieso ein Remix bei allen Platten ab „A Hard Day’s Night“ entscheidend mehr gebracht hätte, demonstriert dagegen das fast schon übervorsichtig überarbeitete op. 5. Wer von „You’ve Got To Hide Your Love Away“ nur einen sehr matt und regelrecht verfärbt klingenden John Lennon auf CD kannte, dem dürften schon 2006 bei den remastered auf Folge 2 der „Capitol Beatles Albums“-Box-Sets vorliegenden Songs die Ohren übergegangen sein. Mindestens so sehr und mehr noch danach bei dem auf DVD bestens restauriert vorgelegten Film: Da hatte man für den Soundtrack die Aufnahmen ganz selbstverständlich hochbitprozessiert und neu abgemischt. Was das Team mit den restlichen Songs – denen der B-Seite der in Europa erschienenen LP – auch mal hätte machen sollen…
Eingriffe künstlerischer Art waren nicht gestattet. Also korrigierte man etwa die Tonhöhe im Fall von „She’s Leaving Home“ (Spieldauer des „verlangsamten“ Stereo-Mix 3:33, der Mono-Mix 3:23) nicht nachträglich. Den bislang einzigen kompletten Stereo-Remix von „I Am The Walrus“ produzierten vor einer kleinen Weile Martin sr. und jr. Bei „Magical Mystery Tour“ beginnt nun statt dessen einmal mehr ab 2:00 vor „…sitting in an English garden…“ eine längere Mono-Orgie. EMI wird den Remix und „Love“ aber nicht so bald wieder aus dem Katalog streichen.
Was jeden Fan freuen dürfte, ist die Tatsache, dass das sogenannte Weiße Album auf CD nicht mehr ein solcher Klang-Morast ist und zumal „Abbey Road“ absolut hinreißend: „Because“, ein letztes Mal ganz große Harmonie – einiges besser klingt. Die Platten bis „Magical Mystery Tour“ und manche Songs wie „The Inner Light“ überhaupt zum ersten Mal auf CD im Original-Mono hören zu dürfen, wird in einschlägigen Zirkeln euphorisch gefeiert. Tatsache bleibt: Der seinerzeit heftig komprimierte Mono-Mix von „Beatles For Sale“ war immer ein Verbrechen – indiskutabel im Vergleich zur Stereo-LP. Diesen lausigen Klang verbesserte kein Remastering der Welt. Über die vielen von George Martin exklusiv für Capitol produzierten Mixes (nur auf besagten US-Box-Sets von 2004 und 2006 zu haben) schweigen sich die Liner Notes geflissentlich aus. Ein klein wenig klüger fühlt man sich nach deren Lektüre – auch bei denen zu „The Beatles In Mono“ – aber dann doch.