Harmonia & Eno 76 – Tracks & Traces Re-released/Cluster &Eno/After The Heat
Drei Arbeiten Brian Enos mit deutschen Elektronikern Im September 1976 befand sich Brian Eno auf dem Weg nach Montreux, um mit David Bowie an „Low“ zu arbeiten, als er einem Zwischenstopp im Weserbergland einlegte. In Forst traf er sich mit den beiden Cluster-Musikern Dieter Moebius und Hans Joachim Roedelius, die damals mit Michael Rother die Band Harmonia bildeten. Der ehemalige Roxy-Musiker war ein großer Fan, schon ein Jahr zuvor war er mit den geistesverwandten Künstlern in der Hamburger Fabrik zusammen aufgetreten. Nun endlich war es möglich, gemeinsam einige Stücke aufzunehmen.
Doch es sollte 23 Jahre dauern, bis die Aufnahmen unter dem Namen Harmonia ’76 veröffentlicht wurden. Roedelius hatte die verstaubten Vier-Spur-Bänder 1997 neu editieren lassen, ein Sublabel von Sony brachte „Tracks & Traces“ dann auf den Markt. Jetzt erscheint eine von Michael Rother bearbeitete und um drei exzellente Tracks ergänzte Fassung der Aufnahmen. Der Sound ist eindeutig besser, doch die Musik wirkt natürlich noch immer etwas skizzenhaft, das einzige Stück mit Song-Charakter ist das von Eno gesungene „Lüneburg Heath“. Immerhin: ein früher Brückenkopf der Electronica.
Nach dem Ende von Harmonia verschwanden die beiden Cluster-Musiker im Juni 1977 noch einmal mit Brian Eno im Studio – diesmal in dem von Conny Plank und leider ohne den ausgestiegenen Rother. In drei Wochen nahm das Trio genug Material auf für zwei konzeptuell unterschiedliche Veröffentlichungen. Auf „Cluster & Eno“ (Bureau B, 4), dem vermutlich ersten in Deutschland produzierten Ambient-Album, überwiegt der Einfluss von Moebius und Roedelius: sehr stille, zurückgenommene Stücke, die keinen Anfang und kein Ende zu kennen scheinen, aber trotzdem Struktur haben. Die typischen Eno-Sounds und -Spielereien sind eher im Hintergrund zu hören.
Die Musik wirkt noch heute so zeitlos modern wie das Cover mit dem einsamen Mikroständer vorm Abendhimmel. Das ist nicht der Space-Kitsch der Kosmischen Kuriere, aber auch nicht die steife Haltung der ernsten Neuen Musik. Vor allem das feierlich melodische Klavier- und Keyboardspiel von Roedelius sorgt für Anklänge an die deutsche Romantik, eine eigenwillige Mischung aus Minimalismus und natürlicher Schönheit.
Das unter dem Namen Eno Moebius Roedelius veröffentlichte „After The Heat'(Bureau B, 4 ) klingt deutlich anders: Es gibt mehr Struktur, mehr Pop und, wenn man das in diesem entspannten Zusammenhang überhaupt sagen kann: mehr Aggressivität („Broken Head“). Der Einfluss von Brian Eno, der zur gleichen Zeit an „Before And After Science“ arbeitete, ist eindeutig größer als der von Cluster. Enos typischer AKS-Synthie-A-Sound dominiert, auf gleich drei Stücken ist sein Gesang zu hören, wobei er auf dem mit Holger Czukay eingespielten „Tzima N’arki“ bereits die Gesangsspur des erst später veröffentlichten „King’s Lead Head“ verwendet – allerdings rückwärts. „Old Land“ und „Broken Head“ nehmen mit bohrenden Synthesizern schon mal die Achtziger vorweg. Doch auch auf „After The Heat“ findet sich noch genug Kontemplation und ätherische Ästhetik, um ein „Luftschloss“ zu bauen.
Mit dem Krautrock haben alle drei Alben wenig zu tun. Dafür klingen sie viel zu zeitlos, minimalistisch und modern.