The Flamin‘ Groovies – Flamingo/Teenage Head
Manchmal kann man den Kult-Status einer Band auch daran ermessen, wie begehrt ihre Bootlegs bei den Fans trotz lausiger Aufnahmequalität sind. Von denen gab es bei den Flamin‘ Groovies im Lauf der Jahre einige, noch bevor sie den Vertrag mit Sire Records unterschreiben — und danach noch weit mehr. Von den mehr als zwei Dutzend Kopplungen, die teils auf ziemlich obskuren Labels erschienen, gar nicht zu reden. Es verhält sich tatsächlich so, wie lan McFarlane in den Liner Notes zu „This Band ls Red Hot“ – eine in der Auswahl (und den Überspielungen) denn doch gelungenere Retrospektive als vor Äonen mal „Groovies‘ Greatest Grooves“ — klarstellt: „Flamin‘ Groovies are of of the great cult bands of alltime… Their songs still sound fresh today.“ Paradoxerweise gerade deswegen, weil sie sich als so ziemlich einzige Band in San Francisco entschlossen, nach dem mit viel Geld überproduzierten LP-Debüt „Supersnazz“ bei der nächsten konsequent gegen jeden Zeitgeist zu musizieren. So was wie „Love Have Mercy“ klang auf „Supersnazz“ mehr nach jungem Marvin Gaye und frühen Rolling Stones.
Beim folgenden „Flamingo“ nahmen sie das mit dem „Get Back“ der Beatles wörtlich die von Richard Robinson lange vor der Erfindung des Begriffs „Punk Rock“ produzierte Platte war eine Rückkehr zu Sun Records und frühem New Orleans-R&B, Eddie Cochran und — schon wenig kaschiert im Titel von „Second Cousin“ – Jerry Lee Lewis. Da nahm sich die Verneigung vor den Beatles mit „She’s Falling Apart“ fast schon als ein Stück Nostalgie aus.
„Teenage Head“ war als artistische Grundsatzerklärung noch unmissverständlicher. Der mit viel Gefühl musizierte Slide-Blues „City Lights“ (am Piano Jim Dickinson, wie auch bei „High Flyin‘ Baby“ und „Have You Seen My Baby“) war ihr „No Expectations“, und wie sie – erklärte Rolling Stones-Fans – die Lektion von „Beggars Banquet“ verinnerlicht hatten, zeigten sie bei ihrer Cover-Version von Robert Johnsons „32-20“. Mit „Dr. Boogie“ verneigten sie sich vor Slim Harpo, und das mit viel klassischem Sun-Records-Echo kommende „Evil Hearted Ada“ war ihre Elvis-Hommage. Wobei ihnen jeder Gedanke an Revival völlig fremd war: Diese Blues und Rock-Exkursionen waren keinen Deut weniger auf der Höhe der Zeit als „Sticky Fingers“. Ihre Deutung des Johnny Kidd & The Pirates-Klassikers „Shakin‘ All Over“ geriet nicht weniger zeitgenössisch als die damalige im Bühnenrepertoire der Who.
Der Sechs-Minuten-Marathon desselben ist neben ihrer Aufnahme von Link Wrays „Rumble“ eine von zwei Zugaben auf dem jüngsten Remaster, auf dem man die beiden Kama-Sutra-LPs jetzt bei Rev-Ola gekoppelt hat.
Bei der Werkschau „This Band IS Red Hot“ 196o-79″(Raven Records, 4) arbeitete man mit weniger Kompression, aber das wird niemand bedauern, der einen guten Überblick über die produktivsten Jahre der Flamin‘ Groovies gewinnen möchte.
Wie bei „Yes It’s True und „You Tore Me Down“ zu hören, ließ Dave Edmunds sie in ihrer Begeisterung für die Beatles gewähren. Aber da unter den zwei Dutzend Aufnahmen einige formidable fehlen und McFarlane in den Liner Notes klarmacht, dass das hier nicht alles war, ist es eher eine Einführung in den Kult.