Manic Street Preachers – Journal For Plague Lovers
Kann das gehen? 14 Jahre, nachdem Richey Edwards spurlos verschwand, kramen die Manie Street Preachers noch einmal ein paar Texte des Verschollenen hervor. Bassist Nicky Wire hatte die Notizbücher, die sein Freund ihm einst gab, stets aufbewahrt, aber nicht gewagt, sie in eine musikalische Form zu bringen. Nun, 15 Jahre nach „The Holy Bible“, ist der Abstand wohl groß genug.
Doch was kann man erwarten von dieser Vergangenheitsbewältigung? Auf keinen Fall wollten Wire und Sänger James Dean Bradfield eine allzu sentimentale Angelegenheit aus der Sache machen. Deshalb engagierten sie Steve Albini, der das Pathos, in dem die Manics sonst so gern schwelgen, tüchtig drosselte. Mit „Peeled Apples“ geht es gleich energisch los, auch,Jackie Collins Existential Question Time“ ist nicht so kompliziert, wie der Titel es suggeriert. Keines der 13 Stücke kommt auf vier Minuten, etliche nicht mal auf drei — so wirken die Manics wieder zielstrebiger als in manchen Jahren zuvor, aber die großen Gesten, der Mut zur Romantik, die an Rührseligkeit grenzt, fehlen doch. „This joke Sport Severed“ hat solche Momente.
Viele der Stücke wird man erst richtig verstehen, wenn die Texte vorliegen – oder möglicherweise auch dann nicht. Die Faszination für diese Band kam ja immer auch daher, dass man eben nicht verstand, worum es ging. „If You Tolerate This, Your Children Will Be Next“? „Enola/Alone“? Wie auch immer. Es klang gewaltig, es schien wichtig. „Journal For Plague Lovers“ hält sich in Sachen Prätention seltsam zurück, was so sympathisch wie schade ist.
Dass Bradfield hier nur selten seinen Stimmumfang ausnutzt, mag dem allzu großen Respekt vorm Erbe Edwards‘ geschuldet sein. ‚Warum Wire allerdings immer noch glaubt, singen zu können, bleibt ein Rätsel. In „William’s Last Words“ sprechsingt er unfassbar monoton die letzten Worte: „I’m really tired/ I’d love to go to sleep/And wake up happy.“ Das Kapitel ist abgeschlossen, ein neues kann beginnen.