Hildegard Knef – Die Album-Edition 1972-80
Wer die Knef nur als bizarr aufgeschminktes, von Operationen und Krankheiten gezeichnetes Faktotum kennt, der wird ihre Alben der 70er Jahre (und die früheren sowieso) als Offenbarung begreifen. Ihr selbst war die psychedelische Platte „Knef“ von 1970 die liebste, die sie mit Hans Hammerschmid produziert hatte – ihr „Scott 4“. Im Jahr darauf gab sie den Avancen des Labels Philips nach und verließ Decca, woraufhin sogleich ein Album mit Texten veröffentlicht wurde— und, 1972, „Ich dreh mich nochmal um“ (4,5), wiederum mit Hammerschmid aufgenommen. Melancholie, putzige Couplets („Die irritierte Auster“) und zeitkritische Satire („Fragebogen“) wurden hier glücklich verquickt. Ein Krebserkrankung verzögerte das nächste Album, „Ich bin den weiten Weg gegangen“ (1974, 4,5), mit dem legendären „17 Millimeter fehlten mir zum Glück“ und dem von Hans Blum alias Henry Valentino verfassten „Der alte Wolf.
„Applaus“ (4) versammelte 1975 eingedeutsche Easy-Listening-Klassiker von Gershwin, Bacharach, Weill und Rogers/Hart. Im Jahr darauf sang die Knef souverän deutsches Liedgut von Theo Mackeben, Alfred Jary und Peter Kreuder: „Bei dir war es immer so schön“ (4).
„Lausige Zeiten“ (1977, 4,5) produzierte Fred Weyrich, fast alle Stücke wurden von Herbert Rehbein komponiert und von Hildegard Knef geschrieben. Die Swing- und Chanson-Form aus alter Tanzund Runfunkorchester-Seligkeit wich moderneren Klängen, vor allem in dem kühnen „Das Jahr 2000″. Fürs Foto frisiert wurde die Künstlerin nun übrigens von einem jungen Berliner Figaro: Udo Walz! Dagegen ist “ Überall blühen Rosen“ (1978, 3,5) – deutsche Texte zu französischen Evergreens — eine gediegene, aber wohlfeile Angelegenheit ohne die Knefsche Schnodderigkeit, wenn auch mit der durchaus glaubhaften Bitterkeit von „Was wird aus mir“, einer derben Version des ewigen „Amsterdam“ und dem Spott von „Mein Ideal“ nach Charles Aznavour.
Noch im selben Jahr nahm sie mit dem nachmals berühmten Harold Faltermeyer „Heimweh-Blues“ (3) auf, für das der Produzent auch die meisten Songs schrieb. Das letzte Album der Knef für Philips,, „Da war eine Zeit“ (+¿*¿¿), erschien 1980 nach dem öffentlich begeistert diskutierten gesichtskosmetischen Eingriff, der angeblich durch Verletzungen während der Dreharbeiten für Billy Wilders „Fedora“ notwendig geworden war. Auf dem weichgezeichneten Cover-Foto sieht die Diva wie ein Kessler-Zwilling aus. Die Songs von „Da war eine Zeit“ schrieb neben Kai Rautenberg der ehemalige Bandleader Les Humphries, dessen Goldquelle versiegt war. Aber auch die Zeit der Hildegard Knef war vorbei; ihre dritte und letzte große Tournee ging einem Abschied auf immer neuen Raten voraus. Je zwei Philips-Alben erscheinen in chronolgischer Reihenfolge auf einer CD, die gesamte Edition im Schuber enthält auch das Konzert-Album „Tournee, Tournee“ (4) von 1980 darauf auch Lieder aus jenem von Harold Faltermeyer konzipierten Musical „Der geschenkte Gaul“, das niemals realisiert wurde.