Seasick Steve – I Started Out With Nothin And I Still Got Most Of It Left
Wenn sich auf einem Album so unterschiedliche Gäste wie Nick Cave, KT Tunstall und die Brit-Soul-Wuchtbrumme Ruby Turner einfinden, kommt als Gastgeber nur ein ganz später Überfliegerin Frage, der es sich locker leisten kann, schon im Titel mit der eigenen Legende zu kokettieren. Mit ca. 66 hat Seasick Steve alias Steve Wold aus Oakland das dritte Album in den UK-Top-Ten.
Obschon inzwischen irgendwie angekommen (und sei’s „nur“ bei einer norwegischen Kellnerin, die ganz praktisch auch noch ein bisschen Krankenschwester ist), besingt der Kalifornier mit halbversehrtem Furor auch immer noch den Wein („Thunderbird“), die Weiber (Just Like A King“) und natürlich das Warten auf den nächsten Zug („Prospect Lane“). Doch das Argument, der seekranke Steve romantisiere und verharmlose das Obdachlosendasein zum schlechten Witz, nur weil er unverdrossen die Erfahrungen rekapituliert, die er in langen Hobo-Jahren gemacht hat, ist natürlich ein einigermaßen abwegiger Totschläger. Mit Authentizitätswahn lässt sich bekanntlich die halbe Blues-Welt erledigen (mindestens).
Jenseits von pompöser Ideologiekritik kann man hier durchaus seinen Spaß haben, sofern nicht ein furchtbar bemühter Cave in „Just Like A King“ dazwischenfunkt. Gäste braucht Wold ohnehin eher nicht, nur seine olle Slide-Gitarre, genug Trittschall zum Fußstampfen und gelegentlich einen Drummer, der so rollend auf den Punkt kommt wie Dan Magnusson. Dann ist zwischen zartem Country-Blues („Walkin Man“, „Fly By Night“) und derb-überdrehtem Electric Boogie („St. Louis Slim“, „Thunderbird“) einiges drin. Am Schluss meditiert Seasick Steve über „My Youth“ – und erzählt im Anschluss eine lange Schnurre daraus. Talking Blues.