Quicksilver Messenger Service – Live At The Fillmore Auditorium
Die Tatsache, dass man es bei Rhino nicht für angebracht hielt, den Auftritt des Quicksilver Messenger Service beim Monterey Pop Festival 1967 wenigstens mit ein oder zwei Aufnahmen auf dem 4-CD-Box-Set zu dokumentieren, spricht Bände. Die Band hatte keinen so „organisierten“ und kommerziellen Erwägungen durchaus aufgeschlossenen Kopf wie Marty Baiin, der sich um das Fortkommen seiner Truppe kümmerte. Cipollina, Murray, Duncan & Co. strebten auch nie so konsequent wie Janisjoplin mit ihrer Band, Country Joe McDonald mit seiner oder die Grateful Dead eine Schallplatten-Karriere an.
Zu beträchtlicher Popularität brachten sie es in der Bay Area ausschließlich durch die Konzert-Auftritte. Als Tom Donahue am 2. Mai 1968 mit seinem Team bei KSAN auf Sendung ging, waren ihm britische Bands wie die Rolling Stones – der Sender war zunehmend ein „Sprachrohr“ der neuen counter culture – mehr ein Herzensanliegen als die nicht so ausgesprochen „politischen“ Jungs vom Quicksilver Messenger Service. Denen hatte er schon bei der Rundfunkstation, die er für KSAN im Zorn verließ, zuvor nie Sendezeit eingeräumt, sich bei der Band und Manager Ron Polte hartnäckig verleugnen lassen.
Im selben Monat Mai brachte Capitol das Debüt-Album heraus. Das erreichte sofort eine deutlich bessere Hitparade-Positionierung als die Grateful Dead zuvor mit ihrem. Sehr gewöhnungsbedürftig und für mehr als einen Fan ziemlich irritierend war nur, dass sie – Sänger/Harmonika-Mann Jim Murray hatte sich zwischenzeitlich verabschiedet – ihre musikalische Identität weithin ausgewechselt zu haben schienen. Seit Jahren hatten sie sich bei den Konzerten in und rund um San Francisco als eine musikalisch wesentlich vielseitigere Band profiliert, Blues- und Folk-Elemente, Protest- und Drogensongs, Rock’n’Roll genauso wie Rhythm 6& Blues in ihre jederzeit abwechslungsreiches und auch nie auszurechnenden Sets mit einbeziehend. Die Auftritte im Avalon Ballroom und später im Winterland und Fillmore, neuerdings in einer Serie von Mitschnitten wieder zugänglich gemacht, lebten von der lustvollen Improvisation der beiden Gitarristen genau wie vom mehr „konservativen“ Musizieren und Gesang der Herrn Murrav und Freiberg.
Wobei Cipollina mit dem Vibrato auf seiner Gibson SG und diesen „Bigsby“-prozessierten Klängen die musikalisch so ziemlich faszinierendste Persönlichkeit im ganzen Psychedelic Rock wurde, auch Barry Melton, Jerry Garcia und Jorma Kaukonen mit seinem unverwechselbaren Spiel auf die Plätze verweisend. Wie er während der frühen Jahre an seinem gänzlich eigenen Stil feilte, in der Hinsicht nicht minder ehrgeizig wie damals Jimi Hendrix oder schon Jeff Beck, ist auch hier trotz öfter bescheidener Aufzeichnungsqualität gar nicht zu überhören.
Die Solo-LP von Jim Murray, die er in seinem Heim-Studio produzierte, scheint für immer verschollen gegangen zu sein. Der „Revolution“-Soundtrack wiederum, bei dem Quicksilver Messenger Service unter anderem eine denkwürdige Aufnahme von Buffy St. Maries Drogensong „Codine“ beisteuerten, wurde bislang nie auf CD wiederveröffentlicht. Beim Fillmore-Mitschnitt ist das genauso einer der Höhepunkte wie Hamilton Camps Folksong „Pride Of Man“ und die Cover-Versionen von Bo Diddleys „Mona“ und „Who Do You Love“. Daneben findet man mehr als ein halbes Dutzend Songs, die sie später — das Traditional „Duncan & Brady“ beispielsweise — nie mehr aufnehmen mochten und die ersatzlos entfielen, als man die Auswahl für „Happy Trails“ treffen musste. Für das folgende Studio-Album, jetzt mit Nicky Hopkins die musikalische Identität schon wieder ausgewechselt, kamen die sowieso nicht mehr infrage.
Die ungewöhnlich dürftigen Liner Notes bei dieser Serie kann man ärgerlich finden. Andererseits: Über die Band und ihren längst legendären Leadgitarristen findet man im Netz jede Menge sachkundiger Informationen und von Fan-Begeisterung geprägte Porträts.