Darren Aronofski – The Wrestler :: (Start: 26. Februar)
Zwei Gescheiterte haben sich gefunden. Darren Aronofsky galt mit seinem Debüt „Pi“ von 1998 und „Requiem For A Dream“ zwei Jahre später als virtuosester Regisseur seiner Generation, brachte danach aber nur noch das schwerfällige Esoterikdrama „The Fountain“ zustande. Mickey Rourke, aufregendster Posterboy der 80er Jahre, gab sich im Größenwahn destruktiven Drogenexzessen hin. Der eine verschliss, der andere verschleuderte sein Talent – auch im Kampf mit Hollywood. Nun kehren die beiden Unangepassten triumphal zurück mit einer Außenseiter-Ballade, wie sie wohl nur das amerikanische Kino erfinden kann.
Unterlegt mit Bruce Springsteens gleichnamigem Song, zeigt „The Wrestler“ anrührend die tristen Tage eines einstigen Szenestars. Randy „Ram“ Robinson war mal der König im Zirkus der starken Männer. Nun sind die Knochen müde, ist der Blick stumpf, klingt die Stimme wie ein Röcheln. Ram haust im Trailerpark und schlägt sich mit letzter Kraft für kleines Geld bei Showkämpfen in Provinzhallen durch, bis er einen Herzinfarkt erleidet und an der Wursttheke eines Supermarktes jobben muss. Derart seines Lebenselixiers entzogen, versucht er sich mit seiner Tochter (Evan Rachel Wood) zu versöhnen und eine ernsthafte Beziehung zu der Stripperin Cassidy (Marisa Tomei) zu knüpfen. Doch sein Abstieg ist unausweichlich: Ram, das wissen auch die Frauen, hat zu lange zu viele Schlachten bestritten, als dass er sich zur Ruhe setzen, ja ändern könnte. „My only faith is in the broken bones and bruises I display“, singt Bruce Springsteen, der ebenso einen „Golden Globe“ gewann wie Rourke.
Als gebrochene Seele porträtiert Aronofsky diesen getriebenen, unbeugsamen Charakter mit weichem Herzen. Rourke füllt diese Rolle nicht nur bei den Stunts mit seinem aufgepumpten Körper beeindruckend aus. sondern auch mit wahrhaftiger Intimität. Die Wut und Wehmut im Film ähneln seinem Leben. Eine Hymne auf die Gestrauchelten, Ausgestoßenen, Exzentriker ist Aronofskys Drama. Geradezu zärtlich und fast dokumentarisch begleitet er die Hünen und Freaks in den Umkleideräumen oder bei Veteranentreffen, wo Videos aus den besseren Zeiten verkauft werden. Man schätzt sich, tauscht Tipps und Steroide aus. Familiärer Alltag.
Was auf den ersten Blick wie ein einfacher Film aussieht, ist tatsächlich subtilste Regiekunst, mit der Aronofsky Nähe und Spannung erzeugt. In den ersten Szenen folgt er Ram lange von hinten, bis man im schwachen Schein einer Taschenlampe in Rourkes kaputtes Gesicht blickt. Dessen Auftritt mit dem Butcher ist chronologisch versetzt: Erst sieht man Ram blutend durch den Ring taumeln, dann den wüsten, makabren Kampf. Zuletzt folgt die vorherige Absprache mit seinem Gegner, der kurz erwähnt, er arbeite mit Rasierklingen und Heftzwecken und so, woraufhin Ram abwesend murmelt, das sei okay. Diese tragikomische Pointe schmerzt.
Am Schluss klettert Ram noch einmal auf die Seile und setzt zum Sprung an. Heavy-Metal-Gitarren lärmen und Massen jubeln wie schon am Filmbeginn, als die Kamera langsam über vergilbte Zeitungsausschnitte gleitet. So fallen Aufstiegund Absturz, Euphorie und Tragik mit symbolischer Wucht brillant zusammen.