Dim Lights, Thick Smoke & Hillbilly Music – Country & Western Hitparade Series 1945 -1950
Im Anspruch, in der Aufmachung und in dem Ehrgeiz, mit dem man sich an dieses Projekt nichts weniger als die Geschichte der Country Music der Jahre 1945 bis 1970, dokumentiert mit den größten, besten und erfolgreichsten Aufnahmen auf am Ende 26 CDs – machte, übertrifft diese neue die Rhythm & Blues- und Sweet Soul Music-Serien von Bear Family vorsichtig ausgedrückt um einiges. Colin Escott erzählt hier auf den ersten CDs ganz nebenbei auch die Geschichte vom Aufstieg der Country Music als einer zunächst jahrzehntelang regional relativ unterschiedlich gepflegten nordamerikanischen Musik- Folklore zu einer lukrativen, mächtigen, auch von Intrigen, Korruption und kommerziellen Strategien ihrer einflussreichsten Manager geprägten Industrie.
Mit seinen zahllosen Anekdoten entwirft Escott den Grundriss für eine Kultursoziologie der Country Music. Wie diese Musik eine bis dahin unerhörte Verbreitung finden konnte durch die neuerliche Verfügbarkeit von Pressmaterial (das wegen der Zwangsbewirtschaftung während der Kriegsjahre schlicht weithin fehlte), durch die neuen, die 78er-Schellackplatte ablösenden Tonträger-Formate, durch den furiosen Aufstieg von Nashville als dem endlos Musiker, Songschreiber, Verleger und Plattenfirmen anziehenden Mekka der Country Music, wird hier locker, nie ermüdend faktenhuberisch, sondern immer spannend dokumentiert.
Dass und wie Country-Songs damals bald nach der Kapitulation der Japaner auf dasselbe Thema kamen wie William Wyler 1946 in dem Film „The Best Years Of Our Lives“, beschreibt Escott genauso exemplarisch und minuziös wie etwa die Geschichte von und Geschichten über Kokain und andere Drogen in Country-Songs seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute. Genannt werden im Zweifelsfall auch immer die wirklichen Komponisten von Songs, Autoren derselben manchmal Jahre und Jahrzehnte, bevor die plötzlich Hits wurden. So komisch wie die bekannte Geschichte vom Decca-Manager, der die Beatles für nicht talentiert genug befand, als dass er ihnen einen Plattenvertrag gegeben hätte, ist hier die von Hank Snow, der dem allmächtigen RCA Nashville-Boss Steve Sholes „I’m Movin‘ On“ bei der ersten Session vorspielte und sich von dem anhören musste, der Song tauge nichts. Als Sholes ihn das Lied dann doch aufnehmen ließ, wurde ,,I’m Movin“ On“ mit 21 Wochen an der Spitze der langlebigste Nr. i-Hit in der Geschichte der ganzen Country Music.
Die Serie präsentiert aber auch viele weniger bekannte, teils auch heute total vergessene Sänger, über die man in den Liner Notes nicht minder gründlich informiert wird. Klar, dass alle legendären Figuren hier vertreten sind; von Roy Acuff über Leon Payne mit seinem „Lost Highway“ bis zu Hank Williams und Bob Wills. Mit aktuellem Pop-Gesülze aus Nashville (Tom Pettys Meinung dazu: „Bad rock with a fiddle“) hat das nichts zu tun. (BEAR FAMILY)