Lars von Trier – The Boss Of It All :: Fantastischer Vorgesetzter
Start 15. Januar
Lars von Trier ist eine Nervensäge. Er hält sich für zu intelligent, um einfach ein großartiger Regisseur zu sein. Statt dem Kino nur neue Impulse zu geben – was er durchaus kann -, will er es hinterfragen, dehnen, zertrümmern, vom Sockel holen. Mit fast autistischer Neigung muss er immer wieder anarchische Duftnoten setzen zwischen Selbstgefälligkeit und Selbstironie, die wie heiße Luft nach einem kurzen Gewitter im Kultur- und Kinobetrieb verpuffen.
Nach dem Dogma-Manifest und dem Filmtheater wartet von Trier auch jetzt mit einer neuen Radikalkur auf: seiner „Automavision“. Dabei soll es sich um ein Computerprogramm handeln, das den Winkel der Kamera nach dem Zufallsprinzip auswählt. Das klingt irgendwie visionär, sieht aber fürchterlich aus und nervt natürlich enorm. So blickt man in halb leere Bildausschnitte, auf abgeschnittene Köpfe oder schiefe Kulissen. Einige Jump Cuts oder Improvisationen mit der Videokamera hätten es als Stilmittel auch getan. Von Triers technische Gaukelei ist reiner, ja auch eitler Selbstzweck: Ästhetisch, inhaltlich oder dramaturgisch hat sie keinen tragenden Wert für seine gewitzte und clevere Komödie.
Darin hat Ravn (Peter Gantzler) eine erfolgreiche IT-Firma aufgebaut. Für seine Angestellten ist er jedoch der nette Kollege: Um Kündigungen oder Überstunden nicht selbst verkünden zu müssen, schiebt er einen fiktiven Chef vor, den „Boss of it all“. Der sitzt in Amerika und teilt sich nur durch E-Mails mit. Als Ravn aber die Firma an einen isländischen Investor verkaufen will, verlangt der den Besitzer zu sehen. Kurzerhand engagiert er den Schauspieler Kristoffer (Jens Albinus). Doch bis zur millionenschweren Unterschrift wird das einstige Phantom mit allen angestauten Emotionen der Mitarbeiter konfrontiert.
Einer will ihn bei der ersten Konferenz verprügeln, eine hält ihn für schwul, eine andere erinnert ihn an sein Eheversprechen. Jeder hat eine andere Vorstellung vom Boss, den Ravn je nach Person und Situation agieren ließ.
Zwischendurch kommentiert von Trier das Geschehen und die Genreregeln süffisant aus dem Off: Ist es eher Ibsen oder Soap, wird es eine Tragödie oder gibt es ein Happy-End? Auch Kristoffer philosophiert, wie er denn nun die Rolle angelegen soll, und wird dabei immer eigenwilliger.
Von Trier streut Zoten und Business-Bonmots („Offshoring, nicht Outsourcing!“) ein, ist mal galligund mal albern, wendet aber Sozialkitsch ebenso wie Kapitalismus-Klischees immer in doppelbödige Karikaturen. Und mit der Ironie des Intellektuellen säuselt er am Schluss: „Ich entschuldige mich bei denen, die mehr oder weniger wollten.“