Tift Merritt – Another Country :: Wunderbar leise: Die Sängerin finde! in Paris ihre Stimme wieder
Als selbst Lost Highway, die vermeintlich so künstleraffine Americana-Premium-Adresse, schon nach zwei Alben und dem immerhin Grammy-nominierten „Tambourine“ die Schlussabrechnung aufrief, wollte auch Tift Merritt den Glauben an sich und eine Karriere als Sängerin und Songschreiberin verlieren. Doch der Glaube wollte das einfach nicht. Er wusste es besser. Der Glaube hatte ein Bett in Paris für sie reserviert und dazu das Klavier von Cecil, deren Apartment bis dahin doch nur älteren Amerikanerinnen ein Refugium gewesen war. Nicht zuletzt schenkte ihr der Glaube diese tausend kleinen Schritte zurück ins Leben, die auch hier für elf große Songs gut waren.
Dabei wollen die das gar nicht, groß sein. Mit „Tambourine“ hatte sich Tift Merritt samt Top-Gästen wie Gary Louns und Mike Campbell und einer fast überbordenden Stil-Mixtur ja noch ins Schaufenster gestellt wie eine aufstrebende Modeschöpferin, die ihre pralle Frühjahrskollektion (und es damit allen) zeigen will. Auf „Another Country“ bis auf den Soul-Stomper „Tell Me Something True“ und die leicht psychedelisierte Rocknummer „My Heart Is Free“ — ist sie diese leise, leicht angekratzte Frau vom Flohmarkt im Spätsommer, die erst nach dem zweiten Kaffee so langsam auftaut und einige ihrer schönsten Schätze in die Kiste da hinten gepackt hat. Songs wie „Broken“, „Morning Is My Destination“, „Keep You Happy“, „I Know What I’m Looking For Now“ und „Tender Branch“ entsprechen dabei ganz wunderbar dem Verdikt von Mitchell Froom, wonach die großartigste Popmusik oft von einem Ort der Bescheidenheit und Verletzlichkeit komme – und trotzdem wirke, als wolle sie die ganze Welt umarmen. „I get lost on the inside too“, singt Tift Merritt zum Klavier im Titelstück, „how could I make sense to you?“ Dann tragen sie die Gitarren von Charlie Sexton und Doug Pettibone in den nächsten, großen Sonnenuntergang. Zuguterletzt besingt sie, eine kleine Verbeugung, französisch diese „Mille Tendresses“, die ihr da drüben den Trost von Fremden brachten.
Tift Merritt – in Houston geboren, in North Carolina ewig zu Hause, in Paris wiedergeboren, in einem Hollywood-Studio von George Drakoulias produziert, aktuell in New York wohnhaft – ist wieder auf dem Highway. Und noch lange nicht verloren.