Sterling Harrison – South Of The Snooty Fox :: Späte Erinnerung an einen kaum bekannten Soul-Sänger
Möglicherweise ist es auch der Reiz des Morbiden, der die Veröffentlichungspolitik des kleinen HackTone-Labels aus Culver City, L. A., inspiriert. Parallel zum letzten Album, das der legendäre Arthur Alexander kurz vor seinem Tod aufnahm, veröffentlichte man auch das Vermächtnis eines Soul-Sängers aus Richmond, Virginia, der Zeit seines Lebens nie zu den Berühmtheiten in seinem Fach zählte und den immer noch weniger Liebhaber der Gattung Soul Music kennen dürften als etwa James Carr. Viel obskurer geht nicht.
Was immer Sterling Harrison während der 6oer und 70er Jahre für Indie-Firmen, aber auch für Motown aufnahm, als man dort die Lizenz zum Gelddrucken besaß: Aufgefallen ist er damals niemand richtig groß. Seine von den Motown-Größen Holland/Dozier/Holland produzierten Sachen sind ins Archiv verbannt. Bei dem hidden track dieser CD, dem von Vinyl transferierten „Funny Life“ von 1966, klingt er Sam Cooke so verblüffend ähnlich, dass man das blindlings glatt für eine verschollene, spät entdeckte Aufnahme desselben halten könnte – und den Interpreten für ein Ass im Fach Stimmen-Imitator. Mehr Doppelgänger als hier geht auch nicht.
Die Tatsache, dass er im Vorprogramm von viel berühmteren Kollegen das Publikum auf diese singend warten lassen durfte und das waren immerhin laut Liner Notes so geläufige wie James Brown, Jackie Wilson, Otis Redding und Stevie Wonder, aber wohl mutmaßlich in grauer Vorzeit i m eigenen Land —, förderte seine Bekanntheit mitnichten. Auch nicht der Umstand, dass er den chitlin circuit bediente und gegen Ende seines Lebens vornehmlich in kleinen Clubs von Los Angeles südlichem Abschnitt auftrat. Nach einem seiner letzten Auftritte, im House of Blues von Hollywood als Vorprogramm für Delbert McClinton, und einem unglücklichen Sturz diagnostizierte man bei ihm Krebs.
Das vorher aufgenommene Album „I’m Just Getting Started“ ist mittlerweile offenbar nirgends mehr erhältlich. Bleibt als Einziges diese Platte, bei der er sich überprüfbar als ein ganz großes Sangestalent bewies. Produziert hatten das 2001 Los Lobos-Saxofonist Steve Berlin und Eddie Gorodetzky, die nur auf die herausragenden Songs aus seinem Bühnenrepertoire zurückkommen mussten, um ein für allemal zu demonstrieren, dass und wie es Sterling Harrison nach all den Jahren zu solcher Größe gebracht hatte.
Unverzichtbar war „I Believe In You (You Believe In Me)“, die alte Don-Davis-Nummer, die Harrisons Idol Johnnie Taylor aufgenommen hatte und die eine kleine Weile zumindest durch den „Good Morning Vietnam“‚ Soundtrack zu größerer Popularität gekommen war. Bravourös interpretierte er Dan Penns „You Left The Water Running“, die Cover-Versionen von O. V. Wright- und Bobby „Blue“ Bland-Klassikern waren selbstredend auch seine Hommage an die Vorbilder („There’s A Rat Loose In My House“ auch eine Verneigung vor Otis Redding), und seine Deutung von Jerry Ragovoys „Ain’t Nobody Home“ ist ein schönes Stück Blues, klassischer B. B. King mehr als kompetent musiziert. (Das Tracklisting auf dieser CD ist total falsch, „Ain’t Nobody Home“ ist Track 5, nicht 1, und auch andere vertauschte man hier. Für so viel Schlamperei entschädigen wiederum die ganz formidablen Liner Notes.) Wer immer die Idee hatte, dass er Tom Waits‚ „House Of Nobody Lives“ von „Mule Variations“ zu altmodischer Soul-Ballade ummodeln und auf circa 1967 zurückdatieren sollte, dem kann man bescheinigen: Es war eine der originellsten Ideen hier. Harrison singt es noch getragener als der Meister die Vorlage. Mehr Schmelz im Bariton-und inniger, optimistischer, nicht so kaputt, mehr, als sei das eigentlich eine Gospelhymne. Das hätten die Muscle Shoals-Profis auch nicht besser hinbekommen als seine New Breed Band hier. Live in einem einzigen Take aufgenommen. Ein weiteres lehnte er danach, vom Produzenten gefragt, mit leicht verheulten Augen ab.