Karen Dalton – Cotton Eyed Joe :: Höchst eigenwillige Interpretationen der Folk-Chanteuse

Wenn’s denn tröstet: Bob Dylans „Gaslight Tapes“ zirkulierten die meiste Zeit in klanglich wesentlich schlechteren Fassungen als diese im selben Jahr entstandenen Live-Mitschnitte von Karen Dalton. So lang ist das noch nicht her, dass es eine 10-Song-Auswahl aus denselben, darunter auch „Moonshiner“, gekoppelt mit einer anderen aus dem Carnegie Hall-Auftritt von 1963, in deutlich aufgenordetem Sound gibt. Die Loop-Tapes von Karen Dalton vertraute man immerhin Peter Mew an, der die Aufnahmen nicht klanglich zu Tode restaurierte, sondern im Sound doch inetwa auf vergleichbares Billie-Holiday-Niveau hob. Ein klangtechnischer Vergleich mit den beiden Studio-Platten „It’s So Hard To Teil Who’s Going Tn Love Tou The Best“ und „In My Own Time“ wäre unfair. Im übrigen lässt sich wohl keiner ihrer Bewunderer durch das jugendlichere Timbre ihrer Stimme hier irritieren, denn die Interpretationen sind überwiegend so außergewöhnlich bis umwerfend wie das, was Dylan damals aus besagtem Traditional machte. Sie krempelte die Songs vorab gänzlich in den Arrangements um bis zu dem Punkt, an dem die Autoren sie öfter vermutlich gar nicht wiedererkannt hätten -, um ihre Essenz herauszuarbeiten, die man so noch nicht empfunden oder erkannt hatte.

Vielleicht deswegen zitieren die Liner Notes noch einmal Fred Neil, der- nachdem er sie sein „Blues On My Ceiling“ singen gehörte hatte – schrieb: „Wenn sie mir erzählt hätte, den habe sie selber geschrieben, hätte ich ihr das geglaubt.“ Nicht immer, aber immer öfter, wie man seit den vor Jahr und Tag wieder vorgelegten Studioaufnahmen weiß. Vom „Nobody Knows You When You’re Down And Out“-Blues bot sie an dem Abend in dem Coffehouse gegenüber der Uni von Boulder, Colorado, eine ziemlich mitreißende Version.

Gänzlich unerhört und so auch nie wieder zu hören war das, was Ms. Dalton damals aus Ray Charles‘ „It’s Alright“ machte, nämlich ein todtrauriges Lamento wie ihre Deutung von „Cotton Eyedjoe“ auch, diesen Gassenhauer sozusagen vom Kopf auf die Beine stellend.

Zwischen den Songs konnte sie tatsächlich ein paar Scherze machen, um ihr Publikum nicht ununterbrochen gnadenlos zu fordern. Aber dann war bei Beginn von Woody Guthnes „Pastures Of Plenty“ auch wieder Schluss mit lustig. Was der Mitschnitt aus dem Club, in dem für eine kleine Weile auch der junge Michael Bloomfield, David Crosby, Artie Traum oder die Kweskins auftraten, wieder belegt, ist die Tatsache, dass sie im Gegensatz zu anderen weißen Blues- und Folk-Adepten sich nie an der Imitation schwarzer Vorbilder versuchte. Offenbar verstand sie sich auch gar nicht im herkömmlichen Sinn als Profi. Für gewisse Songschreiber (Leadbelly, Ray Charles, Fred Neil) scheint sie eine Vorliebe entwickelt zu haben. Sie fühlte sich aber anscheinend nie einer „Szene“ zugehörig, und jemand wie Dave Van Ronk war für sie zumindest keine Vaterfigur. Schon früh in ihrem Repertoire und all die Jahre danach, gehört „It Hurts Me Too“ zu ihren absolut grandiosen und einzigartigen Interpretationen. „Katie Cruel“ auch, zu dem sie hier munter die Lippen spitzt und pfeift. Ganz große Bessie-Smith-Klasse hat ihre Version des Traditionais „No More Tatters“.

Zum ersten Kennenlernen eigenen sich die beiden im Studio entstandenen CDs zweifellos besser und eher. Reichlich faszinierende Momente bieten aber auch diese 21 Aufnahmen.

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