Cat Power – Jukebox :: Wenn Chan Marshall Songs covert, vergisst man die Originale
Chan Marshall hatte von Beginn ihrer Karriere an ein -ja, man muss es so sagen – intimes Verhältnis su den Liedern anderer Musiker. Man höre sich nur ihr Versionen von Tom Waits‚ „Yesterday Is Here“, Bill Callahans „Bathysphere“ oder Michael Hurleys „Werewolf“ auf ihren früheren Platten an. Sie eignete sich diese Songs nicht einfach an, sie bewohnte sie, ja sie schlief mit ihnen. Auf „The Covers Record“ von 2000 fand sie sogar einen Weg, die mittlerweile eher drittsahnige Schokoriegel-Nummer „Satisfaction“ von den Rolling Stones in Spannung zu versetzen, indem sie einfach, aber wirkungsvoll den Höhepunkt-also den Retrain — verweigerte.
„The Greatest“ von 2006 war das erste Cat Power-Album ohne Fremdkompositionen, aber trotzdem natürlich eine Hommage — an den Southern Soul nämlich. Da lag es nur nahe, mit einem ähnlichen vintage .wund eine Coverplatte nachzulegen. Begleitet wird Marshall dabei von der Dirty Delta Blues Band mit Judah Bauer von der Blues Explosion und Jim White von Dirty Three sowie Gästen wie Spooner Oldham, Matt Sweeney und Al-Green-Gitarrist Teenie Hodges.
Einen Vorgeschmack, wie das klingen könnte, gab schon Cat Powers Dylan-Cover „Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again“ auf dem „I’m Not There“-Soundtrack: erotisiert gemaunzter Southern Soul mit klassischen 60s-Gitarren und -Orgeln. So eine Art Easy-Listening für den (meist männlichen) Dylan- oder Stones-Fan. Also, kurz gesagt: Man kann sich dieser Musik nur schwer entziehen.
Es gelingt Marshall auch auf „Jukebox“ wieder, alte Songs so aufzuführen, dass man gar nicht auf die Idee kommt, an die Originale zu denken. Nicht an Frank Sinatra, wenn sie „New York, New York“ singt, nicht an James Brown bei einer grüblerischen Version von „Lost Someone“, ja nicht mal an die Sprödigkeit u nd Fragilität der frühen Cat Power selbst, wenn sie ihr eigenes „Metal Heart“ (von „Moon Pix“) covert. Man könnte fast sagen, die Songs klängen vollkommen unverbraucht – wenn die klassischen Arrangements und der manchmal etwas nervende Hall auf der Stimme nicht ein Echo der Vergangenheit beschwörten.
Die anrührendsten Momente finden sich am Ende von „Jukebox“, etwa wenn Marshall in „Song To Bobby“, ihrem charmanten, musikalisch eher ziellosen Lied über die verpassten Gelegenheiten, ihren großen Helden Bob Dylan zu treffen, in die dylansche Skandierung verfällt – „Can YOU tell ME/ WHO you were singing TO?“.
Chan Marshall singt jedenfalls teilzeit für die Götter, anders lassen sich die transzendeten Interpretationen von Billie Holidays „Don’t Explain“, der durch Janis Joplin bekannt gewordenen Spooner-Oldham-Dan-Penn-Komposition „Woman Left Lonely“ und Joni Mitchells „Blue“
nicht erklären. Damit klopft Cat Power jeden Kritiker ihres neuen, beim ersten Hören etwas zu wohltemperiert anmutenden Ansatzes weich. Es scheint fast so, als seien diese Lieder den Reizen von Chan Marshalls verfallen und nicht umgekehrt.
Schade, dass der ebenfalls aufgenommene James-Carr-Klassiker „Dark End Of The Street“ es nicht auf die „Jukebox“ geschafft hat, dafür gibt es aber in der limitierten Version eine Bonus-Disc mit fünf Covers von Stücken der Hot Boys, von Moby Grape, Nick Cave, Roberta Flack (besonders gelungen) und Patsy Cline. Das kann man sich natürlich nicht entgehen lassen.