The Epstein – Last Of The Charanguistas :: Melancholische Arnencana von einer jungen englischen Band

Noch ein Fall von falscher Folklore und Anmaßung! Diese Americana mit Banjo und Streichern, Mariachi-Trompeten, Mandoline und Slide Guitar kommen aus einer staubigen Grenzstadt namens Oxford, England. Es schadet nichts, wenn man das beim Hören nicht weiß – aber diese Möglichkeit ist jetzt sowieso vergeben. Songschreiber Olly Wills hat diese Musik angeblich als Farmarbeiter in Wyoming studiert, und seine Band spielt die Weisen herzergreifend, ein bisschen mit Akzent, so als könnte sie jederzeit auch in britischen Folk ausbrechen.

Das klingt dann nach Sixteen Horsepower, nach Tindersticks und auch Calexico. Es gibt ja zahllose wunderbare Roots- und TexMex-Bands, authentische und autochrone. Doch selten hat eine solches Bravado und Pathos wie The Epstein in dem Song „The Dress She Wore“: „The thunder came down for more than a day…“ Eine hochdramatische Ballade mit Rummelplatz-Walzer am Ende, fast so kehlezuschnürend wie Townes Van Zandts „Kathleen“. Und „Dance The Night Away“ mit diesen traurigen „Sketches Of Spain‘-Trompeten und den Duane-Eddy-Gitarren ist noch besser, wird am Ende zum wilden mexikanischen Höllentanz. Und das sich feierlich aufschwingende, aufplusternde „Just The Wind“ könnte von der zweiten Tindersticks-Platte stammen, so stimmungsvoll, schlotzig und zum Bersten gespannt sind die hallenden Gitarren und stolzen Bläser inszeniert. Am Schluss der Platte, nach dem wenig megastädtischen „NYC Blues“, erklingt schließlich ein offenbar russisches, jedenfalls mit schwerer Zunge zum Akkordeon gesungenes Wehmuts- und Trinklied, das an „Gulag Orkestar“von Beirut erinnert. Mit der überwältigenden Naivität und Begeisterung der ersten Platte haben auch The Epstein diese betörende Musik aufgenommen. Beim Glastonbury-Festival wurde der Band ein Nachwuchs-Preis zugesprochen; sie hatte das zweifelhafte Vergnügen, neben KT Tunstall und Damien Rice aufzutreten.

Eine bessere Band aus England gibt es nicht in diesem Jahr. Aber The Epstein spielen ohnehin in einer anderen Liga – in einem wüsten, weiten Land der Seele.

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