Beirut

The Flying Club Cup

Folkloreklektizismus - irgendwo zwischen Balkan und Paris

Zach Condon ist so etwas wie der Karl May des Pop. Auf dem Beirut-Debüt „Gulak Orkestar“ ließ er in zahllosen Homerecording-Sessions seine Vorstellung europäischer Folklore Wirklichkeit werden, erzeugte mit aufgeschnappten Ideen im Haus seiner Eltern in New Mexico eine Fantasiewelt des musikalischen Pathos. Und wie uns Karl May mit seinen Winnetou- und Old-Shatterhand-Geschichten ein wirklichkeitsfremdes Amerikabild bescherte, ist Condon wohl dafür verantwortlich, dass nun US-Teenager glauben, dass man auf dem Balkan an jeder Ecke mit schwermütigen Tanzmusikcombos zu rechnen hat.

Dass Condons Projekt aber nur fiktionale Folklore ist, kann auch „The Flying Club Cup“, das einem naturgemäßig nicht mehr ganz so innovativ erscheint wie der Vorgänger, nicht wirklich verbergen. Zwischen den durch die Straßen marschierenden Blaskapellen, dem Walzer tanzenden Akkordeon, den seufzenden Geigen und wehmütigen Trompetensoli verrät sich immer wieder der Heimstudiotüftler, indem er die Stücke stets seriell anlegt, seine Motive zwar originell variiert, aber eigentlich nie wirklich Songstrukturen entwickelt. Dass Zach Condon inzwischen zu einem Bandleader mit richtigen Musikern geworden ist, hat daran nichts geändert.

Dafür kann man sich aber daran berauschen, wie Beirut in „Guyamas Sonora“ Melodieschichten sich überlappen lässt, ein Xylofon gegen Trompeten, Streicher gegen ein Klavier austauscht, wie sich der Rhythmus unter dem zittrigen Pathos von Condons Stimme verschiebt. Auch das Walzerdrama „Cliquot“, bei dem Owen Pallett von Final Fantasy als Gast zu hören ist, schichtet unermüdlich Motive übereinander. „Le Banlieu“ gefällt als impressionistische Miniatur, der ein Melodiefetzen reicht, um die Atmosphäre zwischenschwermütigem Bläsersatz und zartem KJavierimpromptu aufzuladen.

Viel Neues hat Condon dem Beirut-Erstling aber nicht wirklich hinzuzufügen. Auch wenn jetzt französische Einflüsse – Condon lebt seit einiger Zeit in Paris – den Balkansound immer wieder überdecken, so scheinen die musikalischen Mittel von Beirut doch endlich zu sein. Ob die Stücke nun „A Sunday Smile“, „Cherbourg“, „Forks & Knives (La Fete)“ oder „St. Appollonia“ heißen: Immer sind sie als Wiederholungsfiguren angelegt, die sich an ihrem tänzerischen Rhythmus und der eigenen Melodramatik mehr und mehr berauschen. Etwas zu berechenbar wirkt der Eklektizismus Beiruts manchmal.