Klopka – Die Falle :: Srdan Golubovic (Start 11.10.)
„Das sind gleich zwei gute Taten auf einmal“, lockt der Unbekannte (Miki Manoilovic) bei einem Whisky in der Hotelbar. Der kleine Sohn von Mladen (Nebijsa Glogovac) ist schwer krank, er muss am Herzen operiert werden oder wird bald sterben. Dem Bauingenieur fehlt aber das Geld. Seine Frau Marija, eine Lehrerin, gibt eine Zeitungsannonce auf. Es ist eine unter Hunderten, flehende Bittgesuche verzweifelter Menschen um finanzielle Hilfe. Doch Mäzene gibt es nicht in Belgrad. Dafür Mafiosi wie jenen schmierig aussehenden Mann, der Mladen ein unmoralisches Angebot unterbreitet: Er soll einen Kriminellen ermorden, dann erhält er die 30 000 Euro für die Operation. Mit psychologischer Perfidie verkauft der Fremde die Tat als ethisch einwandfrei: „Du rettest deinem unschuldigen Sohn das Leben, indem du die Welt befreist von jemandem, den keiner vermissen wird.“
Der Plot aus Dostojewskijs „Schuld und Sühne“ und Goethes „Faust“ hätte auch Hitchcock gut gestanden – zwischen „Vertigo“ und „Der Mann, der zuviel wusste“. Der junge serbische Regisseur Srdan Golubovic hat daraus einen der klügsten und konsequentesten Thriller der letzten Jahre inszeniert. Stilsicher zieht er die Schlinge unerbittlich immer enger: Mladen ist ein Gefangener vom Moment der Offerte an, und dass sein Opfer ebenfalls Familie hat, macht ihm die Entscheidung noch schwerer.
Die Frage, was ein Leben wert ist und ob manches weniger gilt, klärt Golubovic dabei nicht mit einem intellektuellen Überbau. Denn es gibt darauf keine Antwort. Er verlegt sie ganz ins Private, in die persönlichen Schicksale aller Seiten. Mladen weiht seine Frau nicht ein, und an Stelle gemeinsamer Sorge und Hoffnung wächst Schweigen, Wut und handgreiflicher Streit wie ein Geschwür. Nahtlos verlaufen erschütterndes Psychodrama und stoischer Thriller auf den Abgrund zu: Der naive Mladen wird reingelegt, sein großspuriger Auttraggeber entpuppt sich als Sklave des Systems und die Witwe (Anica Dobra) des Opfers als Lebensretterin, was ihn zusätzlich bestürzt und letztlich sein Schicksal besiegelt.
In Grau und Weiß gestaltet Golubovic seinen Film, nicht nur wegen der Winterzeit. Nebenbei reflektiert er mit der kongenialen Bildsprache die marode Politik und Gesellschaft in Serbien. Belgrad ist eine kalte, gespenstische Fassade, hinter der die Gewinner der Post-Milosevic-Ära skrupelloses Geschäft betreiben. Man sieht sie nur beim Begräbnis – eine symbolische Szene, als würden die Dunkelmänner hinter ihren Sonnenbrillen die Zukunft beerdigen. Und Mladen gehört von Beginn an zu den Verlierern. Der Staatsbetrieb, bei dem er arbeitet, ist schon lange bankrott, und die ersehnte Übernahme durch einen belgischen Konzern stellt sich als ebenso fadenscheinig heraus wie Mladens Deal mit der Mafia.
Am Ende steht er mit seinem klapprigen Auto vor einer roten Ampel. Neben ihm hält ein schwarzer Geländewagen. Wer sich hier an die Gesetze und sein Gewissen hält, hat wenig Chancen zum Überleben.