Kevin Avers – The Unfairground :: Das Alterswerk des Zirkusdirektors, mit vielen illustren Gästen
Augenblicklich gerettet wird diese in der Theorie schwierige Platte – seine erste seit 15 Jahren, das Spätwerk eines 63-Jährigen, der als Faulibert, als Florida-Rolf der Popmusik gilt – durch die unschlagbare Attitüde. Dass Kevin Ayers hier wettergebräunt und gelassen klingt und dass er mit süffisantem Schnipsen weit um jede denkbare Konkurrenz herumflaniert, dürfte niemanden wundern (weil Ayers auch früher so war). Phänomenal ist aber, welch großes Repertoire er daraus faltet: die Rolle des Zirkus-Revuedirektors, des Sorgenonkels, des altersweisen Flüsterers. Und einfach die des Liebhabers. Schon die jungen Leute singen heute so penetrant vom Tod und den sogenannten letzten Fragen – da denkt Kevin Ayers ganz richtig, dass er das nicht auch noch tun muss.
Und klar weiß er, dass die Jahre für ihn gearbeitet haben, dass er berühmter ist als je zuvor und hier die Unterstützung von Musikern genießt, die Schöpfergeister sind, die Ayers aber so verehren, dass sie ihm alles schenken, ohne dabei selbst zu glänzen: Leute von Teenage Fanclub, Architecture In Helsinki, Ladybug Transistor, Phil Manzanera von Roxy Music, der mutmaßlich das wundervolle Gitarrensolo im mitternachtblauen Soul „Shine A Light“ spielt – und nicht mal hier rutscht Ayers vom distinguierten BBC-Akzent ab, der beim Wiedersehens-Duett mit Bridget St. John in der Siesta-Musik „Baby Come Home“ besonders gut klingt, mit Akkordeon und Dorf-Mittagsruhe-Bläsern. Die Songs sind so pointiert und undramatisch, so sehr den alten Schauplätzen verhaftet – dem Rummel, der Seepromenade, dem Herbstpark der Spätsechziger – und gleichzeitig so unkokett, so selbstverständlich im Jetzt realisiert, dass man sich schon wundert, warum das komische Mitleid nicht kommt, das man bei solchen Alterswerken meist spürt.
„Love can turn the best ot friends into strangers“, singt Kevin Ayers dann sonor und gelöst, mit gedoppelter Stimme und leicht LSD-gezeichnetem Streichquartett. Und plötzlich gibt man dem alten Weinsäufer auch noch inhaltlich recht.