Liars – Liars :: Direkt, kraftvoll, bizarr: Das Trio erweitert die Grenzen des Rock
Unbedingt laut hören! Am besten brüllend laut! Schon beim Opener „Plaster Casts Of Everything“ assoziiert man Geschwindigkeit und Technik und eine stark kontrollierte, unterschwellige Aggression. „Leather Prowler“ wird bestimmt bald im Soundtrack eines kaputten Horrorfilms auftauchen: Verzerrte Beats wie bei Mark Stewart, Gitarrentöne wie ein gigantisches Glockenspiel, alles schwimmt in Paranoia, und selbstverständlich ist der Gesang so verfremdet, dass man kein Wort versteht. Dazwischen: immer wieder ruhigere Stücke, denen oft ein mutierter HipHop-Beat zugrunde liegt, so wie „Sailing To Byzantium“, durch das sich eine exotische Melodie verführerisch schlängelt. Doch selbst hier öffnen sich am Ende die Kanaldeckel, und ein paar täuschend echte Prog-Rock-Monster treten aufs Effektpedal.
Nach den monumentalen Soundcollagen von „Drum’s Not Dead“ sind die Liars mit ihrem vierten Album nun in eine völlig andere Richtung gegangen: Mit dem alten Depeche Mode-Produzenten Gareth Jones und dem australischen Bassisten Jeremy Glover hat das Trio in Ost-Berlin und LA. einen sehr direkten und ungeheuer kraftvollen Sound gefunden, der an einige der klügsten und lautesten Bands des Rock erinnert: Bastro. Oneida, Heimet, Big Black, (die alten) Sonic Youth.
Das Geburtsritual „Cycle Time“ ist dabei so atemlos und voller Hingabe an die Donnergötter des Noise-Rock, dass die Tatsache, dass man es hier mit einer typischen Kunststudentenband zu tun hat, nie unangenehm auffällt. Das melodieselige „Freak Out“ klingt allerdings doch ein wenig zu sehr nach den frühen The Jesus And Mary Chain.
Von klassischem Rock oder gar Pop kann man hier allerdings immer noch nicht sprechen. Manchmal ist es nur die Stimme von Angus Andrew und ein vages rhythmisches Pulsieren, das die vielen bizarren und oft wirklich einzigartigen Klänge zusammenhält. Dennoch wünscht man sich mehr Bands wie die Liars, die den Mut besitzen, die Grenzen des Rock zu erweitern. „Liars“ ist der Beweis, dass das Genre nicht nur eine große Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft hat.