Prince :: Planet Earth

Mit Refrain und in Dur: Prince will unbedingt wieder gemocht werden

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als Prince jeden noch so scheinheiligen Vorwand wahrnahm, um sich nackig auszuziehen. Wie einer, der halt alle Hände voll zu tun hat – singen, tanzen, komponieren, Girls nach Hause fahren, neue Sprachen und Wissenschaftszweige erfinden – und dann sagt: Gönnt mir doch den Spaß und lasst mich wenigstens noch die Brust zeigen! Heute macht er das kaum mehr, und möglicherweise ist die banalste Erklärung dafür die zutreffende: Er wird nächstes Jahr 50. Er kommt sich langsam doof vor.

Dass genau deshalb in den Neunzigern sein Abtauchen ins musikalisch Ungenießbare der einzig richtige Schritt war, ist leider eine etwas zu theoretische Theorie (und stimmt vielleicht trotzdem). Das oft ungeliebte Genie, der Giftzwerg, früher als großer, besessener Innovator angezeigt, bekam paradoxerweise am meisten Applaus, als er 2004 auf einmal wieder genau so klang wie in den Achtzigern. Sein Comeback.

Und „Planet Earth“ wirkt, als hätte Prince alle guten Kritiken zu den letzten zwei Platten tatsächlich gelesen und wolle nun noch folgsamer sein. Hier gibt es nichts, was nicht eingängig und konzise wäre, hier ist kein Jam, kein Sanddorn, kein Sandelholz. Alles mit Refrain und in Dur. Keine Brust. Wendy und Lisa von der alten Band Revolution hat er zum ersten Mal seit „Sign ,O‘ The Times“ wieder dabei, obwohl ich nicht genau sagen kann, was sie hier tun-vorab war das Album nur bei einer Vorspiel-Session im Münchener Planetariumzu hören, während sich circa 40 Leute laut unterhielten. Was einen Effekt ergab wie die Partygeräusche auf James-Last-Platten.

Nach dem zu urteilen, was durchs Gläserklirren zu verstehen war, handelt nicht mal der Titelsong „Planet Earth“ so richtig von der Erderwärmung. Mehr ein allgemein-ethisches Stück, donnernder Nachtclub-Klavier-Pop mit Jaul-Passage, Crescendo und Gitarrensolo, ein schönes Musical-Finale. Später wird noch die Korkentrompete verkorkt, der Kirschmond hochgehängt, und Prince piepst aus allen Ecken. Die Rolle des Schlafzimmersängers spielt er, tja, im Schlaf. Heute wirkt er dabei manchmal schon, als würde er fremden Leuten ein Kuss-Telegramm überbringen.

Der Mitklatsch-Boogie „Guitar“, der Jürgen-Drews-haft eingängige Softrock-Ohrwurm „The One You Wanna C“, das fliegengewichtige Pop-Spiritual „Resolution“, die wie in der Schneekugel umherfliegenden Piano- und Gitarrenmelodien und eng taillierten Chorsätze – Prince hat neben der Parade sein Büdchen autgebaut und verkauft leckere Wurstbrote. In „Planet Earth“ stecken Hits, und leider fehlt uns hier das akademische Besteck, um zu zeigen, warum zum Beispiel „Take Me With U“ 1984 ein frühlingshafter Triumph war und im Vergleich 2007 das liebreizende „All The Midnights In The World“ klingt, als ob jemand absichtlich tiefstapelt, damit die gesamte Kundschaft ihn mag und zu verstehen glaubt.

Prince spielt im August an 21 Abenden in London vor insgesamt über 400 000 Leuten. In Los Angeles und Las Vegas tritt er mittlerweile für reiche Kartenkäufer in kleinen Hotelbars Tonträger

auf. Sein Album will er im UK als Beilage der „Mail On Sunday“ verschenken, auch Konzertgäste kriegen es umsonst. Princeist heute eine Kombination aus SZ-Mediathek, Pay-per-View und Oldie-Bädertournee, und eine Platte wie „Planet Earth“ sieht er offenbar mehr als einen Werbeartikel. Es würde mich wenig wundern, wenn sie in 20 Jahren sagen würden, dass der lila Lord auch diesmal wieder der ganzen Popindustrie gedanklich zehn Meilen voraus war. Zumindest strategisch.

Das ändert nichts daran, dass die Platte nicht mehr als ein kurzes, süßes Vergnügen ist. Wozu der alte Prince noch fähig wäre, zeigt er auf „Chelsea Rodgers“, einem Big-Band-Disco-Stück mit wahnsinnig tollem Bläser-Riff und Jazz-Rangelei, und auf „Lion Of Judah“, ähnlich simpel wie der Rest, aber mit einem surrealen, außerweltlichen Twist. Obwohl auch hier die Gitarre so auf „Purple Rain“ hingemischt ist, dass man am liebsten mit dem „Raspberry Beret“ auf dem Kopf und „Cream“ auf der Zunge in der „Little Red Corvette“ auf der .Alphabet St.“… albern, oder? Aber so läuft’s doch.

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