Paul McCartney – Memory Almost Full :: Die Summe des Schaffens des größten Komponisten der Popmusik
Ein Sentimentalist war Mc-Cartney natürlich immer, und seine berühmtesten Stücke-die er als junger Mann zwischen 23 und 28 schrieb – handeln von der Vergangenheit, der Vergeblichkeit, der Vergänglichkeit. Nun treibt ihn offenbar das Gefühl um, dass nicht mehr viel Zeit bleibt – und mehr noch als bei Dylan werden wir Zeugen einer Zurüstung für den Nachruhm, für Songs letzter Hand und vorletzte Worte. War „Chaos And Creation In The Backyard“ eine elegische Rückschau, so ist „Memory Almost Füll „die Summe des Schaffens des größten Komponisten der Popmusik (und ich sage das meinetwegen auch in Hörweite von Dylan, der hört ja sowieso nicht zu).
Alterswerk, Alterswerk! Auf leichthändige Weise reaktiviert McCartney noch einmal seine Talente, eröffnet mit dem kreglen Mandolinen-Stück „Dance Tonight“, lässt die Beatles aufglühen bei „See Your Sunshine“, rockt in alter Manier bei „Only Mama Knows“, wie er es zwischendurch jastets gern tat. Und dann kommt mit „You Tell Me“ die erste erschütternde Ballade, gesungen mit gebrochener Kopfstimme, und unweigerlich schießen einem Tränen in die Augen: „When was that summer when it never rained?/ The air was buzzing with the sweet old honey bee/ Let’s see…“ Mit ein paar Worten evoziert der alte Magier das Summen der Erinnerung und überanstrengt vermutlich absichtlich seine gealterte Stimme.
Bei „Gratitude“ gibt Mc-Cartney noch einmal den kernigen Shouter, „Vintage Clothes“ kippt beinahe ins Psychedelische („Don’t live in the past“, beschwört er sich selbst) – bevor er in „Abbey Road“-Tradition die überkandidelte Suite „That Was Me“, „Feet In The Clouds“ und „House Of Wax“ inszeniert, naturgemäß Selbstvergewisserungen und gleichsam vergilbte Fotografien des kleinen Paul. Streicher, Chöre, Vocoder, Piano und schließlich ein langes, Pink Floyd-artiges Gitarren-Solo versammeln alle McCartneys, die es je gab, zu einer Miniatur-Symphonie von zehn Minuten.
Vom Tod besessen, singt Mc-Cartney schließlich ein weiteres vorzeitiges Abschiedslied, „The End Of The End“, das natürlich an den Schwanengesang der Beatles gemahnt: „On the day that I die/ I’d like bells to be rung/ And songs that were sung/ To be hung out like blankets/ That lovers have played on/ And laid on while listening/ To songs that were sung.“ Und er pfeift. In „Nod Your Head“ gibt er noch einmal prosaisch den Hamburg- und „Heiter Skelter“-Rocker, für eine Minute und 57 Sekunden, mit Streichern und Queen-Chor.
McCartney wäre nicht McCartney, wenn er nicht Vorkehrungen fürden unfasslichen Moment getroffen hätte, in dem er die Füße in die Wolken tauchen wird.