3,5 Graham Parker
Pssst! Nicht weitersagen! Schon gar nicht diesem Christopher Kolumbus. Graham Parker hat Amerika entdeckt allerdings erst 1976 und mit „ein paar gestohlenen Gitarren-Licks“ im Gepäck, wie er sogleich im fulminant folk-rockenden Titelsong zugibt. Song? „Sketch“ wäre wohl treffender. Jedenfalls schüttet der Exil-Brite dann gleich einen doch arg kalkulierten Kübel (Gratis-)-Häme über die alte Heimat und „England’s Latest Clown“ aus.
Man kann diese Beißreflexe nur vor seiner persönlichen Agenda verstehen. Der Exodus ermöglichte es Graham Parker nach der üblichen Sinn- und Formkrise der mittleren Jahre immerhin, sich mit Alben wie „The Mona Lisa’s Sister“ (1988) und “ Struck By Lightning“ (1991) noch einmal ein bisschen neu zu erfinden. Und einfach Songs zu schreiben, die der Muse gehorchen und nicht dem Image. Wie zum Beispiel hier „The Other Side Of The Reservoir“, ein gut achtminütiger Nachruf auf eine im Namen des Fortschritts bzw. des Wassers für alle kühl begradigte Kulturlandschaft, gesungen im zärtlichen Tonfall seiner schönsten Liebeslieder (der auch erst mit den Jahren kam). „Time has a funny way of doublin‘ back on itself, showing the things that really last“, weiß Parker.
Auch auf der „Suspension Bridge“ schweift der Blick zurück. Verwundert registriert Parker, dass er immer noch da oben ist — nur ohne Daddy und ohne Ma und ohne Geschwister, die er nie hatte. Mit allem Saft im Hier und Jetzt steht hingegen“Stick To The Plan“, das den religiösen Fundamentalismus seiner Wahlheimat (ja, auch das ist das gelobte Land) in einem höhnischen Rockabilly-Bastard begräbt. Und mit einem Kazoo-Solo!“Good things are comin if we stick to the plan, keep your finger on the trigger, yeah stick to the plan“, ätzt Parker, um sogleich in „Somebody Save Me“ ziemlich aufgelöst um ganz irdische Rettung zu flehen.
Und am Ende – die Kugel der Erlösung ist längst geflogen -, am Ende wird tatsächlich alles gut mit „All Being Well“. Anders als Nina Rüge darf Graham Parker so etwas sagen. Auch wenn er vielleicht doch öfter, als ihm lieb ist, nicht wirklich dran glauben mag. Schließlich hat er Amerika entdeckt. (BLOODSHOT/INDIGO)