1,5 Andrea Corr Ten Feet High
Was man niemals tun sollte: Beipackzettel von Platten lesen, an deren Qualität bereits vorab gewisse Zweifel bestehen. Und nein, die Corrs sorgten damals nicht gerade für verschwitzte Momente in meinem Leben. Leider missachtet, und so nehme ich erschüttert zur Kenntnis, dass Andrea Corr auf ihrem Debüt „ungewohnt eigenwillig, ungewohnt frisch, ungewohntvielfältig, ungewohnt ungewohnt“ zu Werke geht. Für das Wort „frech“ ist sie mit 32 wohl schon zu alt, aber immerhin ist sie noch mutig genug, um „ihre kreativen Türen aufzustoßen“. Doch halt, vielleicht ist die Musik ja auch ganz toll, denn eine schöne Stimme hat Andrea Corr unbestritten.
Wer nun eine ganz intime Rückkehr zu Folk und Ursprung erwartet hatte, wird indes enttäuscht sein. Andrea Corr ließ sich lieber von Bono, der hier als „Executive Producer“ geführt wird, an den von ihr bewunderten Produzenten Neue Hooper weiterreichen. Der ihren musikalischen Ideen ein überwiegend elektronisches, gewollt modernes und massentaugliches Gewand verpasste. Aber auch das kann das schwache Songwriting nur selten übertünchen. Die Platte eröffnet mit „Hello Boys“; einem so offensichtlichen Versuch, Goldfrapp zu beklauen, dass die unheilige Alison nicht einmal müde mit der Schulter zucken würde. „I Do“ beschreibt eine Märchenhochzeit und geht einem ganz grauenvoll auf die Nerven. Anderes — „Anybody There“, „Shame On You“ – ist besserer Europop, aber ohne jede Haltbarkeit. Wie auch die Single „24 Hours“, die gut in den ZDF-Fernsehgarten passen würde.
Das Titelstück wirkt hingegen nicht ganz so aseptisch, sobald der schlimme Synthesizer überstanden ist. Auch „Ideal World“ ist nett, wenn man nicht so auf den Text achtet. Apropos Texte: Die Corr singt gegen den Krieg und für die Liebe, wagt einen verruchten Blick ins Rotlicht-Milieu und äußert sich schwer selbstironisch zum Leben eines Promis. Dazu gibt es Sounds für alle Lebenslagen. Mittelschlaue Frauenzeitschriften werden das Album also vermutlich „stark“ finden, (WARNER)