The White Stripes
Icky Thump
Meisterliches vom Trödel: Urbaner Blues, Hobofolk, Rock'n'Roll
Eine Rumpelkammer. Überall liegt zerbeulter Schrott herum. Im Sonnenlicht schwirren Staubkörner durch die Luft, eine Gitarre stolpert klopfend herein. Auftritt Jack und Meg White:
Jack (aufgeregt): „Meg, look at this place!“
Meg (schaut sich um): „What? Ooh!“
Jack (mit sich überschlagender Stimme): „This place is like a mansion. It’s like a mansion! Look at all this stuff!“
Und schon geht er los, der Lumpensammlerboogie „Rag And Bone“ – ein irgendwo bei John Lee Hooker oder ZZ Top geborgtes Bekenntnis zur Wieder- und Weiterverwertung und einer der Schlüsselsongs auf „Icky Thump“. dem mit tollen Fundstücken wunderbar vollgestopften sechsten Album der White Stripes.
Später, wenn einen der Boogie mit seinem bockigen Schlagzeug und der hyperventilierenden Gitarre kräftig durchgeschüttelt hat, wird Jack sagen, dass Meg und er nicht ewig hier verweilen können, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben und es noch viel zu viele Orte gibt, an denen sie nicht gewesen sind.
Wo es hingeht, weiß man nicht. Begonnen hat der Trödlertrip der White Stripes aber auf „Icky Thump“ mit dem zähneknirschend über die Grenze nach Mexiko stampfenden Titelsong des Albums, mit einem fiesen Riff und Jacks psychotisch verdoppelter Stimme („Why don’t you kick yourself out, you’re an Immigrant, too“). Bei „You Don’t Know What Love Is (You Just Do As You’re Told)“ mit seinen 7oer-Jahre-Powerchords konnte man ein bisschen verschnaufen, um dann für den düsteren „300 M.P.H. Torrential Outpour Blues“ gestärkt zu sein, bei dem Jack mal mit einem lärmenden Solo, mal mit einem Blues-Picking der Endlosschleife zu entkommen versucht und doch dazu verdammt ist, sich bis zum Ende im Kreis zu drehen.
Unterwegs haben die White Stripes für die schrille mit Flamenco-Pathos aufgeladene Aufreißer-Ode „Conquest“ Trompeten, für die Folk-Persiflage „Pickly Thorn, But Sweetly Worn“ einen Dudelsack aufgelesen und schleppen die meiste Zeit eine Hammondorgel mit sich herum („A Martyr For My Love“, „I’m Slowly Turning Into You“). Während in „Bone Broken“ Megs Schlagzeug wieder einmal herrlich keuchend Jacks Gitarre hinterherhinkt, dröhnt durch die Mitte von „Catch Hell Blues“ eine überdrehte Gitarrenmelodie, die halb Kinderlied, halb Blueslick ist. Als Straßenmusiker-Ballade kommt dagegen „Effect And Cause“ daher. Und dann wäre da noch „Little Cream Soda“ – ein Abgesang auf den Blues, bei dem wir diesmal die Whites erschöpft auf einer nicht enden wollenden Landstraße treffen – gealtert, ernüchtert und des Geschichtenerzählens müde. „1t seems to me that there’s nothing left for me to tell you!“, singt Jack. Dann wird es dunkel.