Throbbing Gristle – Part Two

Der gewaltige Mount Kailash auf dem Cover, als Dreingabe der Special Edition ein „Totemic Gift“, in Handarbeit hergestellt aus Knochen, Kupfer, Gummi oder Holz: Das ist keine normale CD – das ist ein Fetisch. Das erste neue Studioalbum seit 25 Jahren. Die endgültige Rückkehr von Throbbing Gristle, derverstörendsten und gefährlichsten Band des letzten Jahrhunderts. Nun sind sie auf einem Major-Label, doch auf dem CD-Info prangt noch immer ein Foto des Krematoriums von Auschwitz-das Logo von Industrial Records, der Plattenfirma der Band. „Industrial“ wurde in den späten Siebzigern zu einem subversiven Stilbegriff, verwandelte sich aber später in ein Metal-Genre, das mit den Ursprüngen nichts zu tun hat: „Heute weiß keiner mehr, was das mal war. Echte Puristen würden uns auslachen für unsere falsche Verwendung des Begriffs Industrial“, entschuldigte sich Trent Reznor vor zwei Jahren im Interview. Natürlich ist der Nine Inch Nails-Häuptling ein glühender Verehrer dieses britischen Anti-Pop- und Anti-Rock-Konsortiums. Dabei waren Genesis P-Orridge, Cosey Fanny Tutti, Chris Carter und Peter Christopherson nur fünf Jahre lang als Band aktiv, von 1976 bis 1981. Selbst die Punks hassten Throbbing Gristle damals wegen ihrer Radikalität.

„Part Two“ ist nun also die Fortsetzung, das Resultat einiger Auftritte, fast immer im Kunst-Kontext. Silvester 2005 gab es in der Berliner Volksbühne eine atemberaubende Performance, eine begleitende Ausstellung in den Kunstwerken, und auch das Album hätte schon vor einem Jahr erscheinen sollen.

Throbbing Gristle sind musikalischer geworden, aber vielleicht liegt es auch daran, dass man heute mehr gewohnt ist, und dass diese nach wie vor recht extremen Stücke ganz fantastisch klingen. Man sollte das sehr laut hören! Es gibt sechs gemeinsame und vier Solo-Kompositionen – sehr groß sind die Unterschiede allerdings nicht. „Almost A Kiss“, der eingängigste Song, steht in der Tradition des Klassikers „Persuasion“. reflektiert Begehren und Verlust auf dunkel romantische Art. „Vow Of Silence“ erinnert stark an das Frühwerk und ist der gelungene Versuch, die rituelle Musik von Naturvölkern auf elektronische Instrumente zu übertragen. „Rabbit Snare“ geht noch weiter in diese Richtung. „Why are you scared? Do you love me?“ fragt Genesis wie ein finsterer Gott, während einzelne Pianotöne, Coseys Kornett und das dröhnende Pochen der Synthesizer eine gespenstische Atmosphäre verbreiten. „Separated“ ist ebenfalls gefährlich ruhig, und „After The Fall“ scheint direkt ins Jenseits zu führen. Neu ist das alles nicht, aber so intensiv und gewaltig, wie es nur Throbbing Gristle können.

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