Manic Street Preachers – Send Away The Tigers
Zeiten der Ungerechtigkeit, der Unübersichtlichkeit, der Ungewissheit sind stets gute Zeiten für die Revolution – wann also waren die Manic Street Preachers so notwendig wie heute? Und tatsächlich gibt es Hinweise auf Krieg, Inhaftierung, Imperialismus – aber so vage und schlicht gereimt, dass jede Einsicht ausgeschlossen bleibt. Das politische Bewusstsein der Manics erschöpft sich in nachgerade albernen Versen: „Rendition – rendition/ Blame it on the coalition/ Oh the miles that I’m missing/ I wish we still had Jack Lemmon.“ Vielleicht eine Hommage an Lemmons Rolle als braver amerikanischer Vater in „Missing“, der nach dem Putsch in Chile, 1973, seinen Sohn sucht und allmählich die Verstrickungen seines eigenen Landes begreift. Neben Allgemeinplätzen buchstabieren die walisischen Aufrüher diesmal die Jahreszeiten durch, doch niemals entsteht eine Poesie wie einst in „Ocean Spray“, James Bradfields ergreifender Erinnerung an seine Mutter.
Der Gung-ho-Rock der Manics war nie so stumpf und gleichförmig wie auf dieser Platte, die nur Geradeaus und bombastische Refrains kennt, nur Gitarre und gekleisterte Keyboard-Schwaden. Auf seinem Solo-Album ging Bradfield nicht so grobschlächtig und klotzig zu Werke – hier kommt nicht einmal sein legendär gepresster Gesang gegen den Wall des marschierenden Rock’n’Roll an. Wenn die Musiker selbst diese Platte als Rückgriff auf „Generation Terrorist“ verstehen, dann mag sie der eigene Gestus überzeugen. Aber der schöne Nihilismus von „Motorcycle Emptiness“ ist in diesen nörgeligen, keifenden Stücken abwesend. „Now baby what you done to your hair“ oder „I am just a patsy/ The Oswald in Lee Harvey“: So klingen die Texte. Sie wollten, dass alles Gefühl werde – nun ist alles Plattitüde geworden. Vor allem sind die Manics längst Sofa-Revoluzzer, die ihr Unbehagen angesichts der Weltläufte mit der Behaglichkeit des Privaten in Einklang bringen müssen. Schon Lenin wusste, das man mit den Affekten, die Musik zuweilen auslöst, keine Revolte zu Ende bringen kann. Als Zugabe gibt es übrigens einen aufgekratzten „Working Class Hero“. Das wäre etwas!