Electric Light Orchestra – Out Of The Blue

Zu den nicht so großen Rätseln der Rockmusik gehört das allmähliche Verschwinden von Jeff Lynnes E.L.O.-Raumfähre vom Radarschirm. Lynnes Formel hatte sich in den paar Jahren nicht geändert, auch fielen ihm noch Melodien ein, und mit George Harrisons „Cloud Afine“ (1987) gelang ihm ja auch ein veritabler Erfolg. Aber „Balance Of Power“ (1,5) klang 1986 so, wie alles von Synthesizern gesteuerte Gelichter klang – ein Hybrid aus Bierzeltmusik, altem Rock’n’Roll und scheußlich waschlappigem Instrumentalgedudel. Dass Lynne dergleichen teilweise erfunden hatte, interessierte in dieser brutalen Zeit niemanden. „So Serious“ und „Calling America“ waren folglich nur moderate Hits statt Brüller wie ehedem, von den Rezensionen zu schweigen. Die Ästhetik, in den Siebzigern hübsch überkandidelt, sah jetzt aus wie Sofort-Müll in der Art von „90125“ von Yes. Die Bonus-Tracks, zwei B-Seiten darunter, lassen heute kein gnädigeres Urteil zu. Gnädig ist es schon.

Das Mutterschiff „Out Of The Blue“ gibt es jetzt zum Jubiläum im schmucken Buch-Design, auch der Bastelsatz für die Raumkapsel ist wie dazumals bei der Doppel-LP dabei. Lynne erinnert sich (schon wieder) an die Biergärten von München und (erstmals) den verregneten deutschen Sommer 1977, den er im Musicland-Studio und auf dem davor gelegenen Bolzplatz verbrachte. Zuvor waren Lynne die Songs bei einem Urlaub in der schweizerischen Bergwelt eingefallen. Weil der Himmel im Jura so blau war, dichtete er „Mr. Blue Sky“, seine musikalische Signatur. Auch mit anderen Gassenhauern wie „Turn To Stone“ hatte er keine Mühe. Probleme gab es erst, als das Orchester (nicht das Electric Light Orchestra) kaum ins Münchner Studio passte. Auch die Technik war noch nicht so entwickelt, dass Lynne seine Reverb-Orgien genüsslich hätte dirigieren können. Nach blauem Himmel und Sommerregen gehörte das Jahr 1978 Jeff Lynne, trotz Disco und Billy Joel.

Wenn ich an „Balance Of Power“ denke, dann glaube ich, dass Lynne dieses Saxofon nicht hätte verwenden sollen. Der Gesang klingt stellenweise wie ein schwuler Männerchor aus einem interstellaren Schaumbad. Aber hinterher weiß man es immer besser.

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