Peter Maffay – Audiothek 1980-1988
Alle Alben der Achtziger plus Bonus-Tracks und Interviews
Selten hat jemand versucht, den anhaltenden Erfolg, das Publikum, das Charisma, gar die Musik des Peter Maffay zu erklären, der als Rumäne mit ungarischen Vorfahren ausgerechnet in Deutschland zum Inventar wurde. Den einen (die für die veröffentlichte Meinung sorgen) gilt er als Schlagerfuzzi, Gutmensch und Gottgläubiger, Komponistvon Kinder-Musicals und Mann mit kerniger Aussprache – was er den anderen gilt, das bleibt rätselhaft. Nach seinen sachten Anfängen bei Michael Kunze gab er seit „Steppenwolf“ den Motorrad-Rebellen, und die Figur des derben, aber gutmütigen Burschen, der mit Dämonen zu kämpfen hat, bestimmt bis heute das Bild Maffays. Er singt in der Perspektive des kleinen Mannes (sic!) von der Straße davon, dass du nie der Kassierer bist. Über die Jahre wurde er eloquenter und souveräner, doch evident blieb die Abwesenheit von Humor in seinen Texten wie in seiner Rede.
Eine Art Existenzkampf prägte schon „Revanche“ (1980, 3,0 , das erste Album in dieser „Audiothek“. Vom Halbstarken („Uuuh, ich geb dir gern Revanche“) bis zum salbungsvollen Kitsch von „Über sieben Brücken musst du geh’n“ ist es nur ein kleiner Schritt – aber Maffay ist mit diesen Oden an Malocher, Tagediebe und Zukurzgekommene stets sympathisch. Bei „Ich will leben“ (1982, 2) hatte der Rock’n’Roll ihn so sehr erfasst, dass er zwischen Fusel und Zigaretten (mindestens) das Klischee für sein Leben hielt. Mit Peter Wagner und der Band um Jean-Jacques Kravetz und Steffi Stephan in Berlin aufgenommen, schwelgt der Sänger in Bernd Meinungers Weltuntergangs-Lyrik („Eiszeit“) und wohlfeilem Lamento („Lieber Gott“), meistens spielen die Jungs wie Dreschflegel. Das Beste an der Platte ist das berühmte Cover-Foto, das Maffay mit Gitarre, Kippe und Cowboy-Hut zeigt. Wie er im beigegebenen Gespräch erklärt, sah er sich damals gern in dieser Pose als einsamer Reiter.
Sehr hurtig wurde „Carambo-Iage“(1984, 2,5) aufgenommen, bei dem Bläser hinzukamen – eine hektische, ruppige, manchmal unvermittelt sentimentale Platte. Maffay gab jetzt den Vollbärtigen mit Sonnenbrille. Dagegen ist „Sonne in der Nacht“ möglicherweise (1985, 3,0) Maffays beste Platte überhaupt – der gleichnamige Song ist jedenfalls seine beste Single. „Eine Metapher“, wie Maffay korrekt bemerkt – aber wofür? Hier gelingen jedenfalls musikalisch schlüssige Songs, der amerikanische Einfluss von Tony Carey hat den Rumpel-Rock um Genre-Farben angereichert, sogar die Synthesizer sind effektiv integriert. Die Texte, noch immer kein Quell der Freude, stammen nicht mehr vom alten Siegel-Sülzkopf Bernd Meinunger, sondern von Burkhard Brozat und anderen (sehr selten von Maffay).
Zu Recht schätzt Maffay selbst „Lange Schatten“ (1988, 3,0 ). Die vertraute Band wurde auf einigen Posten umbesetzt, der Gitarrist Carl Carlton kam hinzu, Tony Carey spielte Keyboards. Das Doppelalbum ist natürlich zu lang, wie jedes Doppel-Album, aber es bleiben einige ordentliche Songs. Unter den Komponisten ist auch Carlton, der später zwar Maffays formelhafte Musik beklagte, selbst aber nie etwas anderes als die Rhythm & Blues-Grundierung der Rolling Stones liefert.
Der „Audiothek“ hinzugefügt ist als „Official Bootleg“ (3,5 ) ein Konzert in Iserlohn, 1982, bei dem populäre Maffay-Stücke („Du“, „Ich geh fort“, „Dafür“) sowie Versionen von „You Really Got Me“, „The Last Time“ und „Johnny B. Goode“ ohne Schlock gespielt wurden – ein erstaunliches Dokument der schon damals sagenumwobenen sogenannten Spielfreude der Maffay-Musiker.
Jedem einzelnen Album sind (wenige) Bonus-Tracks zugeordnet, etwa das unfassbar scheußliche „Sie brauchen keinen Führer mehr“ von 1982 – ein populistisches Anti-Neonazi-Duett mit Udo Lindenberg, von dem Maffay dann zur Strafe einige Musiker abwarb.
So schlüssig die äußere Gestalt der silbernen Box ist, so bedauerlich gerieten Ausstattung und Texte in den Booklets. In marktschreierischer Typografie feiert Holger Stürenberg die Chart-Platzierungen und kommentiert die Platten mit kühner Waschzettel-Prosa: Syntax, Grammatik und Interpunktion sind außer Kraft gesetzt: „Gerade aufgrund dieser elektrisierenden Verkettung, wird „Ich will leben“ stets zu den herausragendsten Produktionen zählen, die Peter Maffay im Zuge seiner Karriere hervorgebracht hat!“ Zu „Carambolage“ fiel ihm ein: „Selbst, wenn die hervorragenden Singles „Karneval der Nacht“ und „War ein Land‘ nicht die kommerzielle Reputation der Vorgänger erzielen konnten, so bleiben diese, wie auch das ganze Album, auch heute mehr als nur hochwertiges Material eines so überzeugenden wie perfektionistischen Musikers.“ In den Credits zu Maffays deutscher Version von Willy DeVilles „I Must Be Dreaming“ wird der Komponist „Will“ genannt, der Autor Brozat heißt in den Angaben zu den Songs von „Lange Schatten“ überall „Brozart“ (dafür heißt der Gitarrentechniker bloß Goethe). Gitarrist Frank Diez ist auch schon mal „Dietz“. Uuuuh, hätte doch jemand redigiert! Denn die Schlamperei erweckt den Eindruck, es komme nicht so genau drauf an bei dieser Werkschau – eine Auffassung, die der überzeugende und perfektionistische Musiker zu keinem Zeitpunkt im Zuge der Reputation seiner Karriere vertrat.