The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
Unfassbar ist vielleicht das passendste Wort. Diese Musik scheint von weit her zu kommen. Weniger im geografischen Sinn. Eher wie ein altes Fotoalbum, das lange Zeit auf dem Dachboden verstaubte und nun endlich aufgeblättert wird. Erwartungen verschmelzen mit Erinnerungen, bis plötzlich die Frage im Raum steht: Und heute?
Heute erinnert sich Damon Albarn an eine Musik, die es so nie gegeben hat. Wie im Traum ziehen Klangpartikel, Soundfetzen und musikalische Fragmente vorbei, die etwas anheimelnd Vertrautes ausstrahlen und dennoch schöne Unbekannte bleiben. „The Good, The Bad & The Siueen“ sollte ursprünglich das erste echte Soloalbum des Gorillaz- und Blur-Sängers werden. Doch schon 2004, bei einer Session in Nigeria, waren Ex-Verve-Gitarrist Simon Tong und Fela-Kuti-Schlagzeuger Tony Allen beteiligt. Dann kam der Gorillaz- und Gnarls Barkley-Produzent Brian „Danger Mouse“ Burton dazu und schließlich auch der ehemalige Clash-Bassist Paul Simonon. Im Juli 2006 wurde offiziell verkündet, dass es sich bei The Good, The Bad & The Queen nicht um Damon Albarn solo handelt, sondern um eine Band.
Ob es ein Marketing-Schachzug war, das Soloalbum angesichts der hochkarätigen Musiker zum Band-Projekt zu erklären?
Egal. The Good, The Bad & The Queen sind nicht die eitle Supergroup, die man vielleicht erwarten könnte. Der Bass-Sound von „Guns Of Brixton“ wird hier ebenso wenig ausgestellt wie die Synkopen des Afro-Beat oder das bittersüßen Gitarrengeklingel von Verve. Auch Albarns Gesang klingt weniger niedlich als sonst. Und dennoch ist all das präsent. Spirit nennt man so was wohl. Danger Mouse hat jeden Ton auf seiner Festplatte gedreht, gewendet und dann entschieden, was damit geschehen soll. Der Titelsong zum Beispiel beginnt mit einem klimpernden Music-Hall-Piano, dem ein schwerer Reggae-Basslauf folgt. Im Stil der frühen Roxy Music morpht dazu eine flirrende Soundwand ihr wildes Jaulen in das kakophonische Finale von „I’m The Walrus“. Es sind vor allem Stimmungen, die in den Texten zum Ausdruck kommen: Melancholie, Sehnsucht und Lebensmüdigkeit im westlichen London der späten Blair Ära. „That it all gets better when life is straight/ It’s bigger than you and the Welfare State/And we’ll keep singing it’s not too late/ For you“, heißt es bei der Single „Herculean“.
Jeder einzelne Song von „The Good, The Bad & The Queen“ enthält unterschiedliche Reminiszenzen und Spurenelemente multikultureller britischer Musikstile, denen alles Plakative abgeht. Nicht nur „Three Changes“ ist dabei von einer unglaublichen Raffinesse-solche Rhythmen findet man sonst nur im hochentwickelten Jazz, und die Sounds hätte King Tubby nicht prickelnder hinbekommen. Lieblingsstück ist trotzdem die schlichte, semi-akustische Reggae-Nummer „History Song“. Vergangenheit und Zukunft werden hier einfach vertauscht, weil sich beides gegenseitig bedingt. The Good, The Bad & The Queen haben aus diesem Wissen ein aktuelles und dennoch zeitloses Album gemacht.