The Walkmen – A Hundred Miles Off

An den Ecken abgestoßen, mit Kratzern und Knicken kamen die Songs auf dem Walkmen-Debüt „Everybody who Pretends To Like Me Is Gone“ 2002 daher. Sie hatten alle Merkmale des damaligen supermodernen Gitarren-Artschool-New-York-Punk-Revivals und wirkten doch wie über den Umweg des Mülleimers der Geschichte in die Gegenwart gesiebt. Ihr Major-Label-Debüt „Bows And Arrows“ begannen The Walkmen zwei Jahre später selbstironisch mit dem taumelnden „What’s In It For Me“ und ließen ein vierminütiges Hitkonzentrat folgen, das sie geringschätzig „The Rat“ nannten.

Nun finden wir sie zunächst jenseits von Ein-Riff-ein-Hit-Ideologie, Garagen-Romantik, Internetfanzines, Kunstschulenkommilitonen und niedlich zerzausten Mädchen aus der ersten Reihe – „A Hundred Miles, Off“. „Drinking our coffee under the canopy.“ Oh sweet retreat. „Lousiana“ erinnert an den berühmtesten Rückzug der Popgeschichte, klingt wie eine verschluderte „Basement Tapes“-Aufnahme. Als hätten sie es im gleichen Schuhkarton aufgenommen, aus dem sie später das Cover gebastelt haben. Sänger Hamilton Leithauser japst wie ein Waschbär mit Sodbrennen, Mariachi-Bläser jubilieren. Doch dann folgt eine typische Walkmen-Vignette namens „Danny’s At The Wedding“ – verhalltes Riff und schlampertes Genöle leiten das Stück ein, dann krempeln eine verführerische Basslinie, raschelnde Perkussion und Schrummelgitarre den Song um, treiben ihn nach vorne.

Noch immer verstehen The Walkmen es, ihre Musik unscharf lärmend und punktgenau zugleich klingen zu lassen. Die Gitarren legen einen unwirklichen Schleier über das Album und erzeugen zugleich einen Strudel, Trommler Matt Barrick spielt minimalistisch gegen den Rhythmus und gibt ihn dann wieder selbst vor, Hamilton Leithaus kräht heiser, spuckt grimmig, verschluckt die Silben, verweigert Bedeutung und erzeugt zugleich Tiefe. Manche Songs führen ins Nirgendwo, andere brechen nach einigen Minuten plötzlich unversehens in eine andere Richtung auf. Eine vermeintlich schludrige Unfertigkeit die – wie einst bei den Libertines – ästhetisches Programm ist.

Mit „Emma, Get Me A Lemon“ erschaffen The Walkmen sogar einen Nachfolger zu „The Rat“, aus einem lässig rumpelnden Beat erhebt sich ein hymnischer Refrain, der sich knapp am Pathos vorbei laviert. „In so many ways we can waste our time.“ „A Hundred Miles Off“ ist eine der charmantesten Zeitverschwendungen, die das austrudelnde Popjahr auf der Zielgeraden zu bieten hat.

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