Casino Royale :: (Start 23.11.)
Wodka-Martini – gerührt oder geschüttelt? „Scheißegal!“ Mitten im Film fällt die despektierliche Bemerkung, bei einer Pokerpartie, in der es natürlich um nicht weniger als die Welt geht, und Bond verliert kurz die Nerven im „Casino Royale“. Aber da liegt der Mythos schon längst in Trümmern, ist unsentimental ausgemistet worden im Universum des erfolgreichsten, elegantesten und edelsten Geheimagenten des Kinos. Nach 20 Filmen mit lässiger Selbstgefälligkeit, tadellosen Manieren und guter Laune hat James Bond jetzt mit Daniel Craig, dem sechsten Darsteller in 40 Jahren, mehr als nur ein neues Gesicht bekommen.
„Stirb an einem anderen Tag“ hieß der letzte Bond mit Pierce Brosnan, und dieser Titel klang nach Beschwörung und Beweihräucherung einer Figur, die um das Überleben ihrer Identität kämpfte. Trotz des Rekordeinspielergebnisses von 414 Millionen Dollar weltweit war deutlich: Bond hatte schon lange zuvor zwischen „Mission: Impossible“ und „Matrix“ – seinen technischen und stilistischen Vorsprung eingebüßt, war zur blutleeren Kirmes erstarrt, zu einem Markenartikel ohne Vision. Anstelle von Selbstirome war behauptete Selbstgewissheit getreten. Wie eine Zäsur wirkt es, dass zuletzt sogar M (Judi Dench) an Brosnans Bond zweifelte. So musste er sich erneuern, um unverwechselbar zu bleiben, die Ikone zum Individuum werden. Alles auf Anfang. Mit „Casino Royale“ ist der erste Roman von Jan Fleming verfilmt und zugleich am ersten Kino-Abenteuer „Dr. No“ angeknüpft worden. Wie Sean Connery damals, ist auch Craig mehr kaltblütiger Killer als nonchalanter Gentlemanspion, der Schurken ebenso tanzen lässt wie die Frauen. Das Bond-Girl ist nur eine erotische Andeutung. Die willige Caterina Murino wird von Craig unbefriedigt zurückgelassen, während Eva Green trotz ihres verführerischen Rollennamens Vesper Lynd sich verweigert. Der süffisante, sarkastische verbale Schlagabtausch zwischen ihnen gehört zu den besten Momenten dieses Films, in dem ohnehin Dialoge und Blicke dominieren statt nerviger Schaumschlägerei aus exzentrischen Schauwerten und überkandidelten Effekten. Auch Spielzeuge wie Wunderwaffen und Superautos wurden für das Prequel gestrichen.
Craig verkörpert einen Bond reiner Physis, als wahren man in action. Einen besonders wendigen Terroristen hetzt er zu Fuß minutenlang über eine Baustelle, ein Messerkampf wird zum Armdrücken. Er prügelt sich mehrere Stockwerke eine Treppe hinunter, bis die Fingerknöchel aufgeplatzt sind und sein Gesicht zerschlagen ist. Ohne Rücksicht geht er vor, ungeduldig, verbissen, zynisch, wirkt damit auch verletztbar. Symbolisierte Bond sonst die Überlegenheit und Überheblichkeit des Westens, steht er nun als Alternative zum rechtsstaatlichen Dilemma im Krieggegen den Terror bereit.
Als Bond einen Attentäter auf fremdem Botschaftsterretorium erschießt und dafür heftig von M gescholten wird, knurrt er: „Ich dachte mir: ein Bombenleger weniger.“