Jay Bennett – The Magnificent Defeat
So ein Blick zurück ist wichtig. Ohne die kritische Prüfung hinter einem liegender Vorgänge ist sicheres und vor allem angstarmes Vorankommen unmöglich. Autofahrer wissen das, und auch Jay Bennett ist das klar. Sein viertes Soloalbum ist deshalb ziemlich retrospektiv geraten, und zwar persönlich wie musikalisch. Vier nahe Verwandte waren innerhalb eines Jahres gestorben, engste Familienangehörige schwer erkrankt und die emotionalen Blessuren einer Scheidung zu heilen. Also trat er klug auf allen privaten und professionellen Ebenen aufs Bremspedal, nutzte sein Studio als Therapiezentrum. 70 Songs entstanden in der Eremitage, 13 fanden den Weg auf das Album.
Es geht natürlich um zerstörte Liebe, um Verlust und Trauer. Doch inmitten seines teilweise obskuren Instrumenten-Fuhrparks, beider Arbeit mit seinen sieben Hammond-Orgeln, dem billigen Standbass, dem gebastelten Blechrohr-Drumkit, Kinder-Tamburin und Hunde-Glöckchen, fand Bennett nach und nach sein inneres Gleichgewicht wieder. Lieder wie „Wide Open“ oder „Replace You“, ein pumpender und fast archetypischer Riff-Rocker, der auch Partymuckern wie Rossi/Parfitt gefallen könnte, sind bei der Frustbewältigung Spaß bringende Überlebenszeichen geworden.
Vorwärts und nicht verdrängen, das galt für Bennett auch in der Wahl seiner Sounds. Sein kehliger, nasaler, häufig exaltiert verfremdeter Vortrag erinnert an Costello, oft an Petty und manchmal an Jarvis Cocker („Thank You“). Als pophistorische Fixsterne leuchten wenig originell, aber umso strahlkräftiger die Beatles (eher Harrison als Lennon/McCartney), die Kunstwerker um Brian Wilson und (unüberhörbar etwa bei „I’m Feeling Fine“) sogar Fleetwood Mac an Bennetts Firmament. Und selbstverständlich seine Ex-Band, die die Plattenfirma verkaufsfördernd auf die Box pappte, sicher ist sicher.
Bei Wilcos „Yankee Hotel Foxtrot“ war Bennetts Input ja noch enorm, und diese lärmende Experimentierfreude, dieser klangliche Wagemut in aller Traditionsverbundenheit findet sich auch hier. Tweedy hat seit Jays Gruppenausstieg Ende 2001 alle Kontaktversuche seines ehemaligen Kollegen abprallen lassen. Vielleicht trägt dieser Zyklus zur Versöhnung bei. Er wächst so schön beim Hören.