The Roots – Game Theory

Vom schwarzen CNN spricht schon lange keiner mehr. HipHop ist heute mehr denn je eine Arena, in der die schwarzen Gladiatoren mit aller verbalen Kraft aufeinander eindreschen – zur Belustigung eines Publikums, das die krassen Geschichten als ultrabrutale Horrorshow rezipiert. Doch am Rande des Genres etabliert sich seit einiger Zeit eine Spielart, deren Wurzeln im avantgardistischen Jazz-Soul und der revolutionären Poetry der frühen Siebziger liegen. Doch Labels wie Stones Throw und Produzenten wie Madlib wären nicht denkbar ohne den Einfluss der Roots. Für das mit „echten“ Instrumenten (und nicht mit Plattenspielern) arbeitende Kollektiv aus Philadelphia ist HipHop nicht die Summe einzelner Wortmeldungen, keine Kurzgeschichten-Sammlung, kein Sängerstreit, sondern ein langer, komplexer Roman. Seit dem Debüt „Organix“ sind alle Songs der Band durchgehend nummeriert, das neue Album „Game Theory“ startet bei 114 und endet mit 126.

Nach dem atmosphärischen Intro „Dilltastic Vol Won(derful)“ gibt „False Media“ den kritisch reflektierenden Kurs vor: „America’s lost somewhere inside of Littleton/ Eleven million children are on Ritalin/ That’s why I don’t rhyme/ For the sake of riddim/ False media/ We don’t need it. do we/ Pilgrims Slaves Indian Mexican/ lt looks real fucked up/ For your next to kin/ That’s why I don’t rhyme/For the sake of riddim/ False media“. Also doch Ghetto-FM? Die schwarze Stimme der Wahrheit? Nein, denn die Roots tappen auch diesmal nicht in die Propaganda Falle – sie lassen uns teilhaben an ihrem Unbehagen, das letztlich auch das unsere ist. „I don’t feel right, it don’t feel right/ Don’t feel it. don’t feel it/ Can’t feel it no more/ It don’t feel right, it don’t feel right“, singt Maimouna Youseff in „Don’t Feel Right“, der ersten Single aus dem Album. Jeder kann die Veränderungen nach 9/11 sehen, fühlen, anfassen. In der Politik, im Leben, im Alltag. Doch die offiziellen Verlautbarungen sind anders, fühlen sich definitiv nicht richtig an.

Was tun? „It’s in the music, turn it up, let it knock/ Let it bang on the block/ Till the neighbors call the cops/ The cops gon‘ come/ But they ain’t gonna do shit/ They don’t want no problems/ What are y’all stupid/ It’s all in the music.“ Definitiv! Wie kraftvoll der Beat in diesem Song startet, wie unzufrieden quengelnd sich die Gitarre einmischt und wie mitreißend MC Black Thought und der als Gast zurückgekehrte Malik B. den Text herausbellen. Und die Frage in den Raum stellen: Ist HipHop die Quelle des Bösen, die Ursache für jugendliche Gewalt, oder die identitätsstiftende Klammer für eine Generation ohne positive Leitbilder? „Game Theory“ stellt Fragen in den Raum, bietet Argumente an – die Entscheidung liegt beim Hörer. Doch eins ist klar: Dieses Album ist groß, groß, groß!

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates