Diverse – The Leiber & Stoller Story Vol. 1: Hard Times – The Los Angeles Years 1951-56
So hart, wie das der Titel der ersten von drei Folgen dieser Serie über das Schaffen von Jerry Leiber und Mike Stoller zu behaupten scheint, waren die dort dokumentierten Zeiten gar nicht. Die beiden waren gerade mal 18, Teenager also, als Charles Brown mit dem von ihnen komponierten „Hard Times“ in ununterbrochener Folge seinen siebten Top-Ten-Hit in der Bestsellerliste der meist verkauften race records hatte. Ein Jahr später war Big Mama Thornton mit ihrem „Hound Dog“ schlappe sieben Wochen lang Nr. 1 der Rhythm & Blues-Hitparade. Makaber nur, wie in den Liner Notes nachzulesen: Man zahlte ihnen dafür keinerlei royalties. Den Grund dafür erfährt man nicht. Die 1954 von Freddie Bell & The Bell Boys aufgenommene Cover-Version für das Teen-Label war nicht annähernd so erfolgreich. Aber genau von dieser Single lernte Elvis den Song, um den dann 1956 selber autzunehmen. Ab und an ließen sich die angehenden Songwriter/Produzenten-Genies damals noch dreinreden. „Kansas City“ hatte sie ursprünglich für Little Willie Littlefield geschrieben, der dann auch 1952 die Ur-Fassung für Federal Records aufnahm. Label-Boss Ralph Bass meinte aber, dieser Titel sei nicht hip genug. „K. C. Loving“ fand er viel besser. Leiber & Stoller stimmten zu. Hauptsache die Single wurde veröffentlicht! Mittlerweile wurde der Song-nach den Hit-Versionen von Wilbert Harrison und Hank Ballard & The Midnighters – angeblich rund 500-mal aufgenommen.
Aber schon vorher konnten sich die beiden über Mangel an Arbeit nicht mehr beklagen. Jemand wie Phil Spector mag vielen als der wichtigere Produzent in der Pop- und Rockmusik gelten. Wenn man allerdings alle wichtigeren Leiber 6 Stoller-Songs in Aufnahmen namhafter Interpreten einschließlich ihrer bekannteren Produktionen von Charles Browns „Hard Times“ bis zum Stealers Wheel-Ohrwurm „Stuck In The Middle With You“ in einem netten Box Set zusammen fassen wollte (und je die Genehmigung bekäme, hier auch alle von Elvis aufgenommenen L & S-Songs zu präsentieren), würde das locker um die 15 CDs füllen. Anstatt sich mit so einem Mammutprojekt zu verzetteln, das seine Kosten kaum je amortisiert hätte, kam man beim Oldies-Spezialisten Ace Records auf die pfiffige und viel bessere Idee, einerseits nicht so bekannte, gleichwohl hochkarätige Leiber & Stoller-Songs auszuwählen und zum anderen berühmte R&B-, Rock’n’Rollu nd Pop-Evergreens aus ihrer Feder in Aufnahmen zu präsentieren, die nicht sowieso jedermann in einer besseren Plattensammlung besitzt.
Also gibt es hier „Riot In Cell Block # 9“ nicht als Coasters-Klassiker, sondern in der Aufnahme von Vicki Young für Capitol, und auch „Down In Mexico“ nicht von den Coasters, sondern von Ella Mac Morse, beide alles andere als übel. Dass man „Black Denim Trousers And Motorcycle Boots“ nicht in der Uraufnahme der Cheers präsentiert, sondern in der 1956 von Edith Piaf als „L’homme a la moto“ aufgenommenen Version, ist dann doch ein wenig bedauerlich – selbst wenn die auf dem einem oder anderen Oldies-Sampler auftauchte. Ausgesprochene Bluesn’Boogie-Fans zunächst, hatten die beiden längst auch viele Fans in Übersee.
Demselben Auswahlprinzip huldigte man bei „Volume 2: On The Horizon 1956-1962“ (3,0). Die großen Ausnahmen sind „There Goes My Baby“ von den Drifters, „One Kiss Led To Another“ von den Coasters und „Love Potion No. 9“ von den Clovers – entschieden die definitiven Aufnahmen. Und natürlich auch „Your Old Lady“ von den Isley Brothers, selbst wenn man die fabelhafte Aufnahme der Steve Miller Band später für mindestens genauso gut, wenn nicht gar einiges ingeniöser vorgetragen halten kann. Im übrigen ist „Spanish Harlem“ nicht in allseits geliebter Hit-Fassung, sondern der Deutung von Clyde McPhatter zu hören. „Smokey Joe’s Cafe“ von Buddy Holly! Und „Stand By Me“ von Muhammad Ali, als der noch Cassius Clay hieß und Sam Cooke sein großes Idol war. Zu behaupten, Jay & The Americans seien bei ihrem Vortrag von „Yes“ ein wenig von „Save The Last Dance For Me“ inspiriert gewesen, wäre eine krasse Untertreibung. Wer bei der bloßen Nennung des Namens Johnny Mathis verächtlich abwinkt, wird sich über „An Open Fire“ hier wundern. Denn Mathis versuchte damals offenkundig, seinen besten Nat King Cole zu geben!
Leiber & Stoller waren damals so genervt, Songs für Elvis-Filme am Fließband schreiben zu sollen, dass sie solches Crooner-Material nur zu gern komponierten. Die Liner Notes informieren uns darüber, dass Jerry Wexler „There Goes My Baby“ von den Drifters wegen der für ihn gewöhnungsbedürftigen Streicherarrangements von Stan Applebaum für „an exercise in cacophony“ hielt. An die Spitze aller Hitparaden schoss die Produktion trotzdem.