Thea Gilmore :: Harpos Ghost (Sanctuary/Rough Trade)
Sie hat ihren Langzeit-Liebsten hinter sich gelassen und ihre alte Plattenfirma auch. Nur ihrem Produzenten hält die Songschreiberin aus Oxford weiterhin die Treue. Was insofern erstaunlich anmutet, als „Harpo’s Ghost „doch so ganz anders klingt als etwa noch das 2001 ebenfalls von Nigel Stonier betreute Neo-Folk-Wunder „Rules For Jokers“ und „Avalanche“ (2003) als Zwischenschritt ausweist. Noch mehr Rhythmus (als nur Rhythmus und Spielfläche), mehr Sound-Spielereien, mehr (Breitwand-)Rock, mehr Moderne, und das rasante „Cheap Tricks“ soll hörbar der Hit werden (zumindest auf der Insel).
Das alles macht Thea Gilmore ein bisschen verwechselbarer als bisher. Doch wer könnte wirklich diese Stimme verwechseln, die da im flirrenden „Everybody’s Numb“ so cool und hitzig zugleich gegen die „united states of emptiness“ ätzt. Die einen im exquisiten „The List“ immer tiefer verstrickt in eine fatale Liebesgeschichte, bis zum still klirrenden Finale. „The lonelyare the prettiest“. haucht Gilmore. „they burn frorn the inside.“ Die aber in „Call Me Your Darling“ auch einfach mal ein bisschen schmusen will (zur Mundharmonika).
Das ist verständlich, denn Thea Gilmore hat in den letzten zwei Jahren auch erlebt, wie zwei enge Verwandte mit schweren Krankheiten kämpften und sie selbst mit einer klinischen Depression. Sowas hinterlässt Spuren. Sie finden sich im betörenden Ausklang „Slow Journey II“. getragen von einer elegischen Geige, auch im ebenfalls noch Folk-nah kreiselnden „contessa“, die sich als „scared little kid with a head füll of hormones and holes“ erinnert. Doch ist Gilmore immer noch keine, die sich mit Seelen-Striptease begnügen würde, so wenig larmoyant er auch sein mag. Der US-Abgesang „Red White And Black“ – auf den letzten Tequila Sunrise und den letzten pink Cadillac – bedient sich klassischer Protest-Song-Rhetorik, ohne museal zu wirken. „We Built A Monster“ variiert und weitet das Thema als Rock-Brocken und auch so plakativ, wie es Mike Scott als Co-Autor vermuten lässt.
Vielleicht sollte Thea Gilmore lieber mal etwas mit Neil Young schreiben. Die alte Platte von ihm und die Flasche Roter geistern jedenfalls durch „Play Until The Bottle’s Gone“. das sie als hidden track ein bisschen versteckt hält. Was nur konsequent ist, denn ihre altmodisch-beschwingte Liebeserklärung ans Metier hat mit dem unruhigen Geist von Harpo nur seine Schöpferin gemeinsam. Diese sanfte Riesin, die öfter hart zubeißt, als einem lieb ist. Und ihr selbst vermutlich auch.