The Mars Volta – Amputechture
Diese Band spaltet Familien. Mars Volta zu hassen bzw. zu lieben bzw. sie anschließend wieder gegen die zu verteidigen, die sie hassen, das geht auf jeden Fall ins Persönliche: Man muss ja öffentlich daran zweifeln, dass die andere Partei überhaupt irgendetwas von Musik versteht.
Ich ganz persönlich habe allergrößte Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie Fans der unstrittig supertollen Vorgängergruppe At The Drive-In sich solche 10-Minuten-Stücke mit ewiger Doppelgitarren-Knödelei, pathetischen Taktwechseln, spanischem Gebell und Weltraum-Geräuschen erfreut anhören. Über den Progressive Rock der Siebziger wird oft viel Unwahres gestänkert, aber in Gestalt von Mars Volta (und Dredg und Muse und so weiter) umarmen junge, schwarzgeränderte Punk-Hörer ja ausgerechnet das, was daran wirklich stinkt.
Eine Detailanalyse von „Tetragrammaton“, dem fast 17 Minuten langen Zentralstück dieses dritten Albums, wäre zum Beispiel höchst aufschlussreich, leider ist hier kein Platz: Beginnt laut mit Jazz-Powergriffen und wuselndem Schlagzeug, ein Gitarrenlaut, der wie eine Tonleiter-Fingerübung klingt, wird ab 0:55 von einer zweiten Gitarre mitgespielt, ab 1:12 ist es eine ruhige Blues-Ballade mit hohem Gesang, der ab 2:23 richtig plärrt, bei 2:50 hört es auf, verhallt, geht bei 2:56 mit einem – na? – Gitarrensolo wieder los, bei 4:37 wird ein Teil des Stückes ganz plötzlich rückwärts abgespielt, bei 4:50 wieder vorwärts, aber schneller, mit einem Break und komischen Effekten… noch nicht mal ein Drittel des verdammten Dings. Der Cher-Vocoder wird erst bei 8:10 auf den Gesang gelegt. Wieso in Gottes Namen so spät?
Wer sich irgendwann in seinem Leben freiwillig dem Horror ausgesetzt hat, mit übertrainierten Gitarrenschülern eine Band zu gründen, wird jede einzelne dieser musikalischen Phrasen wiedererkennen. Einfacher wäre es, wenn sich die leeren Räume zwischen all den vermaledeiten Gitarrenläufen von ganz allein mit Magie füllen würden. Tun sie aber nicht. Ich geh so lange raus, spielen.