Crazy Horse – The Complete Reprise Recordings 1971-73
Nach der alten Lateinern geläufigen Devise „Divide et impera!“ erfanden Manager (Stigwood e tutti quanti) ab circa Mitte der 60er Jahre das Konzept der „Supergroup“. Dabei folgten sie weniger der gesicherten philosophischen Erkenntnis, dass das Ganze größer sein könne als die Summe der einzelnen Teile, wären vielmehr an Profitmaximierung interessiert. Cream brachte es dann tatsächlich zu Legenden-Status – als sich das Trio auflöste! Blind Faith war wenig später nur noch eine Episode, weil das, was die Band-Mitglieder an neuen Songs mitbrachten, dann doch zwar nicht dürftig, aber keinesfalls abendfüllend war. Da war das, was die zunächst sehr angenehm als Begleiter von Neil Youngs zweiter „Solo“-LP aufgefallenen Crazy Horse als Debüt vorlegten, von ganz anderem Kaliber. Wenn stimmt, was uns die Liner Notes verraten, betrachtete Produzent Jack Nitzsche diese Truppe, zu der er da gestoßen war, damals als das amerikanische Gegenstück zu den Rolling Stones. Mit von der Partie und auch Band-Mitglied: Nils Lofgren. der sich eine Auszeit von Grin genommen hatte. Ry Cooder war wie immer für die phänomenalen Soli zuständig, Coproduzent Bruce Botnick auch der erfahrene Tonmann, und Henry Lewy – auch so ein Crack – zeichnete für die Abmischung verantwortlich.
Aber was letztlich noch mehr zählte als das blinde Verständnis zwischen den Musikern und Technikern bei den Sessions, war natürlich die Qualität der Songs. Was er früher bei „Be My Baby“, „River Deep, Mountain High“ und anderen Produktionen zum höheren Ruhm von Phil Spector an Klangwällen oder für Neil Young als esoterischen Trip von „Expecting To Fly“ erfunden hatte, zählte hier und jetzt für Nitzsche nicht mehr. Seme drei bluesrockigen Beiträge zeichneten sich durch mehr als nur ein wenig RollingStones-Flair aus. Der später sich mit „Keith Don’t Go“ outende Fan Nils Lofgren mochte bei seinen beiden Songs nicht hintanstehen. Neil Young bei „Dance, Dance, Dance“ von seiner allerbesten Cajun-Seite zu entdecken, war eines dieser unerwarteten Urerlebnisse. Ein paar ganz andere Songs, gleichwohl vom selben Kaliber, brachte Gitarrist Danny Whitten ein, solo geschriebene wie auch das mit Neil Young komponierte „Downtown“, hier erstmals als Zugabe in der knapp elfminütigen Langfassung zu hören.
Letztere vermittelt noch am ehesten eine Ahnung davon, wieso sich Jack Nitzsche vorstellen konnte, dass Crazy Horse die amerikanischen Rolling Stones werden könnten. Sein „Gone Dead Train“ klang, so wie er das zum zweiten Mal produzierte, weit mehr wie ein Neil Young/Crazy Horse-Klassiker denn nach der hysterischen Paranoia, die so charakteristisch war für die von Randv Newman gesungene Erstfassung auf dem „Performance“-Soundtrack. Bei einer der Fotosessions für das Debüt posierte die komplette Band vor dem Eingang eines Programmkinos, das gerade „Bullit“ und „Bonnie And Clyde“ im Doppelpack zeigte. Die Platte war ein Klassiker desselben Kalibers. Aber drei ausgekoppelten Singles und allem Lob zum Trotz war der Erfolg (Platz 84) eher bescheiden und der Gitarrist so hoffnungslos in seiner Heroinsucht gefangen, dass man mit ihm unmöglich auf eine Promo-Tournee gehen konnte.
Vielleicht wären die Verrisse für das Folge-Album „Loose“ gar nicht mal so gnadenlos ausgefallen, wäre da nicht dieses andere zuvor mit so unzerstörbaren Evergreens wie „I Don’t Want To Talk About It“ gewesen. Aber die nette neue Country-Rock-Kost war schlicht fad nach dem, was man sich nach dem Debüt versprochen hatte. Es hätte so weitergehen sollen, wie das die hier erstmals zu hörende Aufnahme von „When You Dance You Can Really Love“ vorführt. Aber so hörte man Crazy Horse weitestgehend nur noch als Tour-Band des Meisters. Anders als kürzlich Oldies-Spezialist Raven Records mochte man keinen größeren Karriere-Überblick (diesmal einschließlich der besten Konzertmitschnitte mit Neil Young, auf die man auch problemlos im eigenen Archiv liegend hätte Zurückgreifen können) bieten. Dafür gibt es das überragende Debüt in bislang allerfeinster Klangqualität!