TV On The Radio – Return To Cookie Mountain

So, das wird eure letzten, kümmerlichen Gewissheiten darüber kaputt machen, was denn nun weiße und was schwarze Musik ist. Optisch klar: TV On The Radio aus Brooklyn sind hautfarbentechnisch (mit Ausnahme des einen Gitarristen) eine schwarze Band, doch sie haben alle ihre 50 Finger auf den Tasten und Manualen einer riesigen Orgel – einer imaginären Orgel, die man sich so vorstellen muss: Alle Musik, die zur selben Zeit irgendwo auf der Welt gespielt wird, in magischem Einklang, kann von dieser Orgel aus virtuos angesteuert, laut und leise gemacht werden. Der Rhythmus eines afrohaarigen Tribal-Trommlers, die weißglühende Gitarre vom Heroin-Underground, der Konzertflügel, der Sägezahn-Synthesizer eines Techno-Machers, ein Doo-Wop-Chor in Anzügen (oder, alternativ: die kompletten Beach Boys in Badehosen), und immer so weiter.

Insofern ist das eine sonisch unsichere Platte, auf der theoretisch alles passieren kann, solange es im Groove bleibt. Dass die Band bei der Gründung vor fünf Jahren das Experimentalprojekt zweier Film- und Bildkünstlergewesen ist. merkt man dem zweiten Album aber noch weniger an als dem ersten von 2004. „Return To Cookie Moutain“ setzt einem den Kopf direkt in Flammen, und man könnte ganz mitsingen, wenn man die Texte verstehen würde – die Leute sagen zu so was immer gleich Soul, aber die heute im Soul gewohnte Spannung zwischen mechanischer Musik und einer Stimme, die alle Emotionen auf sich nehmen muss, gibt es bei TV On The Radio nicht. Bei ihnen streiten Musik und Gesang ständig um die Aufmerksamkeit, jede Taste der großen Welt-Orgel bringt etwas Neues an die Oberfläche, lässt etwas anderes untertauchen.

In „I Was A Lover“ sind es die Drum-Maschine, ein Sitar-Schnarren, eine gesampelte Bläsergruppe, die wie besoffene Alphörner klingt, der erbarmungslose Lärm einer Gitarre, das Falsett des unglaublichen, ebenso schneidscharfen wie warm vibrierenden Sängers Tunde Adebimpe. „Province“, bei dem angeblich irgendwo David Bowie mitsingt, hat am Ende ein Klavier, von dem man den ganzen Songüber gar nicht gemerkt hat, dass es da war – hätten Velvet Underground den Weitblick, die technischen Möglichkeiten und Marvin Gaye als Leadsänger gehabt, hätten sie so geklungen. Adebimpes Lieder, im Panther-Ringen gegen die donnernden Wirbelfiguren des Schlagzeugers, gegen knurrende Wildschwein-Saxofone oder einfach gegen das Summen der Stille, sind meist ganz simple, super-eingängige Liebesschlacht-Gesänge, Gospel, Agit-Chöre, Beschwörungsformeln, begleitet von fröhlichen, möglicherweise heimlich biertrinkenden Schamanen oder Eunuchen-Singgruppen.

Zweifellos sind TV On The Radio eine Rockband, aber wie sie die vielen Musik-Schichten

der Art vo Samples und Loops einsetzen, das ist höchst avancierte HipHop-Technik. „Return To Cookie Mountain“ klingt wie nichts, was man sonst so kennt, aber wenn man die Platte erstmal gehört hat, dann jagt sie einen, ohne Rücksicht.

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